Behandlungsfehler

"Ärzte nicht an den Pranger stellen"

Aus Sicht von Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt geht die Ärzteschaft offener mit dem Thema Behandlungsfehler um als noch vor ein paar Jahren - auch dank eines neuen Meldesystems.

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MAINZ. Die Ärzteschaft geht nach Einschätzung des Hartmannbundes inzwischen transparenter mit Behandlungsfehlern um. "Die interne Diskussion ist in den vergangenen sieben, acht Jahren deutlich offener geworden", so der Verbandsvorsitzende Dr. Klaus Reinhardt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Für eine angemessene Fehlerkultur mahnt er an, Ärzte nicht an den Pranger zu stellen, wenn sie einen Fehler zugegeben haben.

Zur Gesamtzahl der Behandlungsfehler gibt es laut Reinhardt keine validen Daten. Das liege daran, dass solche Fälle an verschiedenen Stellen aktenkundig würden - bei den Haftpflichtversicherungen, bei den Landesärztekammern und bei den Gerichten, die keine gesonderten Statistiken erheben.

Medizin wird komplizierter

Befragt zur Entwicklung der Zahlen schätzt Reinhardt, dass in einer Zeit, in der die Medizin komplizierter werde, die Menschen älter würden und oft mehrfach erkrankt seien, die Möglichkeiten für Behandlungsfehler eher zunähmen.

Für den Betroffenen sei jeder Einzelfall tragisch. Nehme man allerdings die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte tagtäglich und setze diese in Relation zu den Behandlungsfehlern, dann sei das schon eine sehr überschaubare Größe.

Zum Umgang mit Behandlungsfehlern im ärztlichen Alltag verdeutlicht der Hartmannbund-Chef, dass es zwar Ärzte gebe, die sich damit schwertun, Fehler zuzugeben.

Dies sei aber kein Massenphänomen und nicht berufstypisch. Auf der anderen Seite sollten solche Ärzte, die sich zu Fehlern bekennen, nicht automatisch an den Pranger gestellt werden, fordert er.

Beinahe-Unfälle melden

Zum Hintergrund verweist Reinhardt darauf, dass es inzwischen in mehreren Ärztekammern mit CIRS, dem Critical Incident Reporting System, ein spezielles Meldesystem gebe. Dabei würden Beinahe-Unfälle gemeldet, um künftige Fehler zu vermeiden. Voraussetzung sei, dass die Ärzte offen damit umgehen, damit der nächste davon lernen könne.

Vom konzeptionellen Ansatz her sieht CIRS vor, wie der damalige Privatdozent Olaf Picker von der Universität Düsseldorf im Rahmen der Medizinmesse Medica 2006 in Düsseldorf ausführte, dass Ärzte Fehler und Beinahefehler anonym, online oder auf einem Zettel in einem speziellen Briefkasten melden. Die Klinikleitung soll so erfahren, wo kritische Punkte sind, die sich beheben lassen, ohne dass Ärzte fürchten müssten, wegen eines Fehlers schief angesehen zu werden.

Wie der aktuelle Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim allerdings vermuten lässt, könnte es im Umgang mit CIRS noch Optimierungspotenzial geben. Wie der "Spiegel" berichtete, habe die Klinikleitung über einen längeren Zeitraum hinweg CIRS-Einträge zu hygienischen Missständen im Hause nicht beachtet. (dpa/maw)

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