Analyse

Ärzte offener für Digitalisierung

Forscher der Hans Böckler Stiftung sezieren die Digitalisierung in Krankenhäusern und die Auswirkungen auf die dortigen Belegschaften. Im Vergleich zu Pflegekräften stehen Ärzte digitalen Lösungen und damit einhergehenden Veränderungen offener gegenüber.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Alles im Blick? Die Digitalisierung soll Klinikärzte in ihrem Arbeitsalltag sinnvoll unterstützen.

Alles im Blick? Die Digitalisierung soll Klinikärzte in ihrem Arbeitsalltag sinnvoll unterstützen.

© Elnur / stock.adobe.com

Pflege 4.0 und Medizin 4.0, aber auch Smart Hospital sind Konzepte, auf die in Diskussionen um die Zukunft der ambulanten wie auch stationären Versorgung immer öfter verwiesen wird. Ihnen gemeinsam ist der Einsatz digitaler Gesundheitslösungen, wie zum Beispiel der elektronischen Patientenakte, aber auch assistiver Robotersysteme.

Für Letztere wird in Zukunft auch die Verwertung von Big Data durch den Einsatz von Robotern relevant, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren.

Gesundheitspolitikern wie auch Vertretern der Gesundheitswirtschaft geht die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht schnell genug. Bei ihrer Forderung nach mehr Tempo wird aber oft die Frage ausgeklammert, wie die Digitalisierung die Arbeitswelten in den verschiedenen Versorgungsbereichen verändern wird – und in welchem Verhältnis Mensch und Maschine künftig stehen werden.

Für den stationären Sektor haben nun Experten der Hans Böckler Stiftung die Digitalisierung im Krankenhaus unter die Lupe genommen. "Es deutet sich an, dass die bereits erfolgte und sich mit großer Sicherheit weiter vertiefende Digitalisierung des Krankenhauses perspektivisch mit fundamentalen Veränderungen der dortigen Arbeitswelt verbunden sein wird. Diese werden sich keineswegs nur auf die Substitution einzelner ‚einfacher‘ Tätigkeiten beziehen.

Zu erwarten ist stattdessen, dass die Digitalisierung tief gehende Auswirkungen auf das Denken und Handeln, die Selbstverständnisse und Berufsbilder sowie auf die Arbeitsprozesse haben wird. Dies treffe insbesondere professionelle Gesundheitsberufe in Pflege, Medizin und Therapie haben, prognostizieren die Studienautoren.

Ärzte ohne Substitutionsangst

Obwohl für die Studie mehrheitlich Pflegekräfte und nur eine kleine ärztliche Gruppe interviewt wurden, sehen die Autoren durchaus eine höhere Digitalaffinität aufseiten der Ärzte als etwa bei Pflegekräften. Bei Letzteren dominiere eher die Substitutionsangst – und damit die Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust infolge zunehmender Technisierung der Arbeitsumgebung.

Ärzte müssen in der Tat keine Angst vor einer Substitution durch KI-gestützte OP-Robotersysteme haben, wie es beim jüngsten KI-Gipfel am Essener Universitätsklinikum hieß. Denn die Systeme könnten Ärzte zwar bei der Op-Planung und -Durchführung unterstützen, aber keinesfalls autonom handeln.

Diese Einschätzung teilen die Böckler-Forscher nicht unbedingt: "Digitalisierung bedingt Standardisierung, den Zwang, neuen Prozessroutinen zu folgen, und sie ermöglicht Kontrolle und Steuerung. Diese Entwicklungen haben das Potenzial, die Professionalität der handelnden Akteure zu unterminieren. Wenn auf Basis von Big Data medizinische Diagnosen gestellt und Therapieentscheidungen getroffen werden, welche Rolle spielt dann noch das Erfahrungswissen der Beschäftigten im ärztlichen Dienst?", schreiben sie.

Mitbestimmung eingefordert

Die Studienautoren mahnen – wie von einem gewerkschaftsnahen Institut zu erwarten – Krankenhausbetreiber an, im Zuge der Digitalisierung die Belegschaft und deren (Informations-)Bedürfnisse nicht zu vergessen.

"So wahr es ist, dass der Trend zur Digitalisierung auch des Krankenhauses weder ignoriert noch aufgehalten werden kann, so notwendig ist ein aktives und gestaltendes Agieren der betroffenen Professionen und Beschäftigtengruppen, ihrer Interessenvertreter und Interessenorganisationen – oder schlicht: die Mitbestimmung", heißt es.

Eine Form der Einbindung der Mitarbeiter beim Digitalisierungsprozess könnte – auf Ärzte bezogen – zum Beispiel die Schulung zum Umgang mit neuen Techniken sein. Konkret könnten bestimmte Op-Techniken am Rechner simuliert werden, so dass die Ärzte diese trainieren können.

Dies ist zumindest in einigen Unikliniken schon der Fall. Die Digitalisierung und KI könnten die Diagnostik revolutionieren, sind sich deren Protagonisten sicher. Knackpunkt ist für sie dabei das Korrelieren grundlegender Muster für die Operateure.

Da die Studienautoren den Grad der Digitalisierungen der einzelnen Kliniken offen lassen, ist auch für die Zukunft davon auszugehen, dass für manchen Klinikarzt schon der Einsatz einer modernen Diktierlösung zur Befunddokumentation eine Revolution im Arbeitsalltag darstellt, während andere Klinikärzte mit den innovativsten multimodalen, 3D- und KI-gestützten OP-Robotiksystemen am Patienten Eingriffe planen und auch durchführen.

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