Behandlungsfehler
Anspruch auch ohne unumstößlichen Beweis
KARLSRUHE. Für Schadenersatzforderungen gegen einen Arzt oder gegen eine Klinik müssen Patienten einen Behandlungsfehler nicht "unumstößlich" beweisen. Es reicht vielmehr, die Gerichte zu überzeugen. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil klar.
Die Klägerin war 2002 wegen eines Bandscheibenvorfalls an der Halswirbelsäule operiert worden. Dabei wurde ihre geschädigte Bandscheibe entfernt und ein Platzhalter aus Karbon eingesetzt.
Das gelang dem operierenden Belegarzt aber nicht im ersten Anlauf. Er nahm den Karbon-Cage daher heraus und positionierte ihn neu. Schon während des Aufwachens wurden neurologische Ausfälle an Armen und Beinen bemerkt.
Wegen Verdachts auf Querschnittlähmung wurde die Patientin in die Uniklinik Göttingen verlegt. Bei einer Revisionsoperation wurde der Cage wieder entfernt. Dahinter stellte die Oberärztin ein epidurales Hämatom fest.
Mit ihrer Klage gegen den Belegarzt verlangte die Patientin Schmerzensgeld und Schadenersatz. Während das Landgericht Göttingen die Klage noch abwies, hatte das Oberlandesgericht Braunschweig einen Behandlungsfehler "für wahr erachtet".
Dem BGH reichte dies aus. Für einen Schadenersatzanspruch wegen eines Behandlungsfehlers bedürfe es "keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises".
Es reiche ein "für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" aus, "der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen".
Im Streitfall sei danach ausreichend Gewissheit gegeben. Dem könne der Belegarzt auch nicht entgegenhalten, dass der Op-Bericht keine Anhaltspunkte für einen schuldhaften Behandlungsfehler enthält. (mwo)
Urteil des Bundesgerichtshofs, Az.: VI ZR 44/12