Urteil
Ansprüche gekündigter Mitarbeiter auf Daten sind begrenzt
Sind dienstliche E-Mails im juristischen Sinne Daten? Diese Frage ist ein Knackpunkt in einem Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht, in dem es um die Herausgabe aller personenbezogenen E-Mails durch den Arbeitgeber nach Kündigung ging.
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Auf Verlangen eines gekündigten Mitarbeiters muss der Arbeitgeber gewisse, über ihn gespeicherte Daten in Kopie aushändigen. Das bestätigte jetzt auch das Bundesarbeitsgericht.
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Erfurt. Der Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern über die beim Chef gespeicherten Daten ist auch für Praxen, MVZ und Kliniken ein weitgehend ungeklärtes Feld. Erstmals hat sich nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dieser Frage befasst.
Ein pauschaler Anspruch auf Herausgabe „aller“ Daten besteht danach nicht. Arbeitnehmer können aber zunächst Auskunft verlangen, welche Daten überhaupt gespeichert sind. Wie weit der Anspruch letztlich reicht, bleibt nach dem Erfurter Urteil aber offen.
Rechtliche Grundlage ist auch hier die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Klar ist danach, dass Arbeitgeber alle Daten speichern und so verarbeiten dürfen, wie es die Erfüllung des Arbeitsvertrags erfordert. Arbeitnehmer können aber Auskunft verlangen, welche Daten das sind. Gegebenenfalls können sie auch „Kopien“ gespeicherter Daten verlangen.
Kläger in dem nun vom BAG entschiedenen Fall war ein Wirtschaftsjurist. Sein Arbeitgeber in Niedersachsen hatte ihn nach nur einem Beschäftigungsmonat entlassen. Offenbar wollte er den Gründen näher nachgehen und forderte Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten.
Finale Klärung nur durch EuGH möglich
Auf seine Klage informierte der Arbeitgeber über Grunddaten wie Name, Anschrift und Geburtsdatum. Darüber hinaus forderte der Wirtschaftsjurist aber noch Kopien seines gesamten E-Mail-Verkehrs sowie der E-Mails, die ihn namentlich erwähnen. Das BAG ließ nun offen, inwieweit E-Mails überhaupt zu den „Daten“ gehören, von denen Betroffene eine Kopie verlangen können.
Weil es mit der DSGVO um EU-Recht geht, müsste dies gegebenenfalls der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entscheiden. Statt einer Vorlage nach Luxemburg wiesen die Erfurter Richter die Klage des Wirtschaftsjuristen aber aus formalen Gründen ab.
Hintergrund ist, dass ein gerichtlich zugesprochener „Leistungstitel“ – hier auf Herausgabe der Mail-Kopien – immer „vollstreckbar“ sein muss. Dies bedeutet, dass klar überprüfbar sein muss, ob der zugesprochene Leistungsanspruch erfüllt wurde. Dies sei hier bei der Klage auf die E-Mail-Kopien aber nicht der Fall. Denn weder der Arbeitnehmer noch die Gerichte könnten wissen, ob der Arbeitgeber wirklich alle gewünschten Mails herausgegeben hat.
Stufenklage notwendig
Notwendig sei daher nach deutschem Recht eine sogenannte Stufenklage. Danach müsste hier der Arbeitnehmer zunächst Auskunft darüber verlangen, welche Mails er geschrieben oder erhalten hat und welche sonstige vom Betrieb gespeicherte Mails seinen Namen enthalten.
Erst danach könnte der Arbeitnehmer in der zweiten Stufe Kopien konkreter E-Mails verlangen. Nach deutschem Recht könnte er dabei zudem vom Arbeitgeber eine eidesstattliche Versicherung verlangen, dass die in der ersten Stufe herausgegebene Liste vollständig ist.
Auch bei einer solchen Stufenklage müsste aber wohl schon in der ersten Stufe der EuGH klären, inwieweit ein Arbeitgeber auch E-Mails als „Daten“ aufführen müssen.
Für Kliniken und MVZ-Ketten von Relevanz ist auch die Frage, ob ein Betriebs- oder Personalratsvorsitzender gleichzeitig auch Datenschutzbeauftragter sein kann. Mit einem weiteren Urteil legte das BAG diese Frage dem EuGH vor.
Az.: 2 AZR 342/20 (Mail-Kopien), und 9 AZR 383/19 (A) (Datenschutzbeauftragter)