Bundessozialgericht

Apotheken müssen Zytostatika in Deutschland beschaffen

Arzneimittel billig im Ausland beschafft, in Deutschland zu Zytostatika verarbeitet und zu deutschen Preisen abgerechnet: Ein solches Geschäftsmodell billigt das BSG nicht und verdonnert Apothekerin zur Rückzahlung.

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Kassel. Zyto-Apotheken haben bei der Abrechnung ihrer Zytostatikazubereitungen keinen Honoraranspruch, wenn sie im Ausland beschaffte Zytostatika verwenden. Das hat das Bundessozialgericht im Nachgang zur sogenannten Holmsland-Affäre entschieden.

Im Streitfall muss eine Apothekerin aus dem Raum München 375.000 Euro an die AOK Bayern zurückzahlen beziehungsweise Verrechnungen in dieser Höhe hinnehmen. Von 2004 bis 2007 hatte sie die Zytostatika im Ausland gekauft, diese „Grauware“ aber mit einer deutschen Pharmazentralnummer abgerechnet. Als dies aufflog, forderte die AOK die komplette gezahlte Vergütung zurück.

Gesamte Vergütung ist zu erstatten

Zu Recht, wie nun das BSG entschied. Die von den Krankenkassen gezahlte Vergütung sei „offenkundig“ auf der Basis der Preise am deutschen Markt berechnet worden. Nach den sich auch aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden vertraglichen Nebenpflichten hätte die Apothekerin zumindest die Krankenkasse über ihre abweichenden Bezugsquellen informieren müssen.

Allerdings hätte die AOK die Zytostatikazubereitungen dann gar nicht abnehmen und vergüten dürfen, so das BSG weiter. Daher müsse die Apotheke nicht nur die durch den Auslandseinkauf bewirkte Ersparnis (nach Berechnung der Apotheke knapp 70.000 Euro), sondern die gesamte Vergütung für die Zytostatikazubereitungen zurückzahlen.

Freispruch vor Bundesgerichtshof

Strafrechtlich waren die Apotheker dagegen davongekommen. 2014 hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe einen strafbewehrten Betrug verneint. Es lasse sich nicht mit der notwendigen Gewissheit feststellen, dass diese Zytostatikazubereitungen weniger sicher waren.

Auch in dem nun vom BSG entschiedenen Fall war daher das Strafverfahren 2015 eingestellt worden. Dies stehe einer Schadenersatzpflicht auf sozialrechtlicher Grundlage aber nicht entgegen, betonten die Kasseler Richter.

2007 sorgte die Holmsland-Affäre für Aufsehen: Rund 100 Apotheken sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht zugelassene Zytostatika zu günstigen Preisen bei einem Lieferanten im dänischen Holmsland bestellt, in Rezepturen verarbeitet und als Originalware abgerechnet haben. Zuverlässige Schadensschätzungen gibt es nicht.(mwo)

Bundessozialgericht, Az.: B 3 KR 14/22 R

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