Biologicals

Arzneimittel mit doppelter Rendite

Der Markt für Biopharmazeutika wächst kontinuierlich und erreicht inzwischen 11,4 Milliarden Euro. Das wichtigste Segment – noch vor den gentechnisch erzeugten Krebsarzneimitteln – sind Immuntherapeutika.

Von Helmut Laschet Veröffentlicht:

Boston. Rund 3,7 Milliarden Euro haben gesetzliche und private Krankenversicherung in Deutschland 2018 für gentechnologisch erzeugte Immuntherapeutika ausgegeben, dem noch vor Krebsmedikamenten größten Segment der Biopharmazeutika.

Der Markt wächst mit 14 Prozent überdurchschnittlich. Doch dem immensen Aufwand steht auch eine doppelte Rendite gegenüber: Viele Menschen mit Autoimmunerkrankungen, darunter auch Kinder- und Jugendliche, können mit einer Remission ihrer Krankheit rechnen und Lebensqualität zurückgewinnen.

Gesellschaftlich und ökonomisch schlägt sich dies in wachsender Arbeitsproduktivität, sinkender Frühverrentung und rückläufiger Hospitalisierung nieder.

Diese Aspekte hat die Boston Consulting Group in ihrem „Biotech-Report 2019“ in einem eigenen Schwerpunkt-Kapitel über den Einsatz von Biopharmazeutika in der Therapie von Autoimmunerkrankungen herausgearbeitet.

Einige sind so etwas wie Alleskönner

Ein Meilenstein in der Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen waren die beiden ersten TNF-alpha-Inhibitoren Infliximab (1999) und Etanercept (2000). Ihnen folgten weitere TNF- alpha- und schließlich Interleukin-Inhibitoren – insgesamt inzwischen rund 30 verschiedene Biopharmazeutika, von denen einige so etwas wie Alleskönner sind. So kann Adalimumab in 13 verschiedenen Indikationsgebieten – von Rheumatoider Arthritis (RA) bis hin zur Uveitis bei Kindern und Jugendlichen – eingesetzt werden.

Eine der häufigsten Krankheiten, gegen die diese Arzneien eingesetzt werden, ist die RA: 550 000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen. Aber nur 8,9 Prozent dieser Patienten werden mit Biologicals behandelt; damit liegt Deutschland, wie der Vorsitzende des Berufsverbandes der Rheumatologen, Dr. Edmund Edelmann, kritisch anmerkt, im unteren europäischen Drittel, gleichauf mit Portugal. Jüngere Patienten erhalten doppelt so häufig Biologicals wie der Durchschnitt.

Kein erhöhtes Tumorrisiko

Aus den Langzeitdaten beispielsweise des RABBIT-Registers, das von allen Herstellern mitfinanziert wird, sind inzwischen wertvolle Erkenntnisse gewonnen worden: etwa zur Sorge eines möglicherweise erhöhten Tumorrisikos, das sich nicht bestätigt hat.

In der Langzeitbeobachtung konnte auch festgestellt werden, welchen Nutzen die inzwischen vorhandene Wirkstoff-Vielfalt stiftet. Im Fall von Therapieversagen eines Biologicals konnte durch Wechsel auf eine andere Biological-Alternative eine deutliche Schmerzreduktion erreicht werden.

Die therapeutischen Effekte – Vermeidung extremer Verläufe der RA, von Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Gelenkdeformationen – haben neben dem unmittelbaren individuellen Nutzen für den einzelnen Patienten auch eine gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung: insbesondere durch die Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.

RA: krankheitsbedingte Produktivitätsverluste

Von den Gesamtkosten, die die RA verursacht, entfällt nur ein Drittel auf die direkten medizinischen Behandlungskosten, der Rest entsteht durch krankheitsbedingte Produktivitätsverluste, verursacht durch zeitweilige Arbeitsunfähigkeit oder auch Frühverrentung.

Bei einer Auswertung von Daten der AOK wurde festgestellt, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage zwischen 2002 und 2012 bei RA-Patientinnen um 27 Prozent, bei RA-Patienten um sieben Prozent gesunken ist. Zwischen 2001 und 2011 sank die Häufigkeit von RA-bedingten Erwerbsminderungsrenten bei Frauen um 36 Prozent, bei Männern um 30 Prozent.

Aus den Daten, die das Deutsche Rheuma-Forschungszentren erhoben hat, ergibt sich, dass der Anteil der erwerbstätigen RA-Patienten bis zum Alter von 65 Jahren zwischen 1997 und 2016 bei den Frauen von 37 auf 60 Prozent und bei den Männern von 47 auf 68 Prozent gestiegen ist.

Für eine insgesamt alternde Gesellschaft mit inzwischen erheblichen Nachwuchssorgen bei den jungen Fachkräften gewinnt die Erhaltung der Produktivität älterer Menschen wachsende Bedeutung.

Hospitalisierungsrate halbiert

Entlastet wurden auch die Krankenkassen durch den medizinischen Fortschritt: Lag die Hospitalisierungsrate von RA-Patienten bis Anfang der 2000er Jahre in etwa konstant bei 18 bis 19 Prozent pro Jahr, so hat sich die Quote nun auf einem Niveau zwischen acht und zehn Prozent in etwa halbiert.

In nahezu gleichem Ausmaß – von 26 auf 14 Tage – ist die durchschnittliche Krankenhausverweildauer von RA-Patienten zurückgegangen. Nach Daten des RABBIT-Registers kann die Mortalität aufgrund eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder aufgrund von Herzinsuffizienz mit der Behandlung durch Biologicals um 25 Prozent verringert werden.

Kinder und Jugendliche, die an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen leiden, können heute ein weitgehend normales Leben führen: Der Anteil der von Schulsport befreiten Kinder ist von 46 Prozent im Jahr 2000 auf 11 Prozent im Jahr 2011 gesunken.

Sieben von zehn jugendlichen Rheumatikern waren 2016 sportlich aktiv. Damit werden auch Risiken wie Übergewicht oder sozialer Rückzug vermieden.

Der Markt für Biopharmazeutika

  • Der Umsatz (Klinik und Apotheken) belief sich 2018 auf 11,4 Milliarden Euro, ein Zuwachs von 11,7 Prozent; der Anteil am Gesamtpharmamarkt stieg von 26 auf 27,4 Prozent.
  • Neu zugelassen wurden 38 Biopharmazeutika – ein Rekordwert; das sind 58 Prozent aller Neuzulassungen.
  • 400 Unternehmen arbeiten in der medizinischen Biotechnologie, 281 davon tragen als Technologieplattformen zur Arzneimittelentwicklung bei, ohne eigene Wirkstoffe zu entwickeln.
  • 635 Präparate befanden sich im vergangenen Jahr in der klinischen Entwicklung, vier weniger als im Vorjahr; Biosimilars machen ein Fünftel der Neuentwicklungen in Phase III aus.
  • Auf 49 700 hat sich die Zahl der Mitarbeiter um 5,7 Prozent erhöht. (HL)
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