Niedersachsen

Aufsicht ohne Biss über Psychiatrien?

Vor neun Jahren hat Niedersachsen trotz heftiger Kritik seine psychiatrischen Landeskrankenhäuser verkauft. Mitglieder des Psychiatrieausschusses monieren, dass die Landesaufsicht ein "stumpfes Schwert" sei.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Wer schaut genau hin bei psychiatrischen Krankenhäusern?

Wer schaut genau hin bei psychiatrischen Krankenhäusern?

© Christoph Schmidt/dpa

HILDESHEIM. Die Psychiatrieaufsicht in Niedersachsen hat offenbar bei der Kontrolle privater psychiatrischer Krankenhäuser wenig Möglichkeiten. 2005 hat das Land Niedersachsen seine Landeskrankenhäuser verkauft.

Jetzt stellt sich heraus, dass Mitarbeiter über zum Teil abenteuerliche Zustände in den Krankenhäusern klagen, jedenfalls im AMEOS Fachkrankenhaus in Hildesheim. Das haben Recherchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) ergeben.

Mitarbeiter des AMEOS-Klinikums Hildesheim erheben in einem NDR-Beitrag schwere Vorwürfe gegen die Klinikleitung: überbelegte Zimmer, unterbesetzte Schichten, bröckelnde Wände, auffällig viele Fixierungen. Die Mitarbeiter sprachen in dem Beitrag von "gefährlicher Pflege".

In der Tat reduzierte AMEOS in Hildesheim die Zahl der qualifizierten Krankenpfleger. 2010 verfügte das Haus laut Qualitätsbericht noch über 238,5 volle Pflegestellen für ausgebildete Krankenpfleger, 2012 waren es nur noch 218. Gleichzeitig hat das Krankenhaus mehr gering qualifizierte Pflegehelfer eingestellt: 2010 waren es 1,5 Vollzeitkräfte, 2012 bereits 23,6.

"Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sind Experten aus unserem Haus im Hildesheimer Krankenhaus gewesen", sagt Heinke Traeger, Sprecherin der niedersächsischen Gesundheitsministerin, Cornelia Rundt (SPD), der "Ärzte Zeitung".

"Wir haben keine auffälligen hygienischen Mängel festgestellt", sagt Traeger. "Aber wir haben gesehen, dass die Fachkräfte immer weniger werden. So weit wir sehen, bewegt sich die Personalausstattung aber im Bereich des Legalen."

Klinikbetreiber sieht keine Mängel

Wolfram Beins, Mitglied des Psychiatrieausschusses Niedersachsen, sieht indessen geringe Chancen für die Kontrollen durch das Land. "Als die Krankenhäuser privatisiert wurden, haben die Vertragspartner beschlossen, die Verträge nicht zu veröffentlichen", sagt Beins, "das heißt, die Besuchskommissionen des Psychiatrieausschusses kommen an den Personalschlüssel oder die Dienstpläne nicht heran."

Die Aufsicht des Landes sei "stumpf". Dass es auch anders geht, zeigt der Maßregelvollzug in Niedersachsen. Als die Kliniken verkauft wurden, habe das "Land durchgesetzt, dass man in die Verträge Einblick nehmen könne", sagt Traeger.

Derzeit wird das niedersächsische Psychisch-Kranke-Gesetz (Psych KG) novelliert. Laut Traeger liegt ein Referentenentwurf vor.Beins fordert nun, das neue Gesetz müsse Kontrolleure des Psychiatrieausschusses berechtigen, etwa die Personalschlüssel einzusehen. "Viele Private bezahlen die Ärzte sehr gut, sparen aber bei der Pflege."

Die AMEOS-Gruppe mit Sitz in Zürich indessen sieht keinen Mängel im Hildesheimer Krankenhaus und beruft sich dabei auch auf die Begehung durch die Experten des Landesgesundheitsministeriums.

"Wir haben seit Jahren eine funktionierende Qualitätssicherung im Haus und verzeichnen keine Zunahme von Beschwerden", sagte AMEOS-Sprecher Markus Eugster der "Ärzte Zeitung".

Bei einer 360-Grad-Befragung von Patienten, Mitarbeitern und zuweisenden Ärzte in Hildesheim im vergangenen Jahr sei nichts besonders negativ aufgefallen. "Aus unserer Sicht läuft in Hildesheim alles gut."

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