HINTERGRUND

Ausschreibungspflicht für Hilfsmittel sorgt für Unmut

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

Die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) eingeführte Pflicht zur Ausschreibung der Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkassen stößt auf Kritik von Hilfsmittelanbietern und Betroffenen. Sie sind der Meinung, dass die Ausschreibungsverfahren die Versorgung der Versicherten verschlechtern.

Dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags liegen derzeit 15 Petitionen zur Hilfsmittelversorgung nach dem GKV-WSG vor. Die Klagen sind vielfältig. Sie betreffen die eingeschränkte Wahlfreiheit der Versicherten bei der Hilfsmittelversorgung und Angst vor Qualitätseinbußen ebenso wie die Sorge um den Fortbestand der mittelständischen Hilfsmittelanbieter. Beinahe wöchentlich melden sich neue Kritiker zu Wort.

Besonders die Pflegeheime hadern mit neuem Verfahren

Besondere Probleme bringt das neue Verfahren für Pflegeheime mit sich. Frank Vetter, Sales Director Home Care der SCA Hygiene Products GmbH, verweist auf negative Erfahrungen mit der Inkontinenzprodukteversorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Bisher haben Heime die Inkontinenzprodukte für alle Bewohner von einem Lieferanten bezogen. Jetzt muss je nach Krankenkasse ein anderes Produkt eingesetzt werden. Das habe einen erhöhten Lager- und Logistikaufwand und Mehrarbeit im Heim zur Folge.

Vetter: "Durch die Produktvielfalt drohen ständige Verwechslungen. Nicht zuletzt müssen sich die Pflegekräfte nun auch mit unterschiedlichen Produkten und Anlegetechniken vertraut machen. Dies erfordert zusätzliche Produkt-Schulungen." Für den ambulanten Bereich beklagt Vetter, dass "das Recht des Versicherten auf die freie Wahl des Hilfsmittelleistungserbringers durch den Systemwechsel hin zu Verträgen stark eingeschränkt" wird. Zudem würden Preissenkungen von 30 bis 40 Prozent zu Qualitätsverlusten führen. Vetters Eindruck: "Die Krankenkassen möchten augenscheinlich nur noch eine Mindestversorgung aufrecht erhalten."

Vetter kritisiert zudem, dass wohnortnahe Apotheken und Sanitätshäuser bei den derzeitigen Ausschreibungen kaum mithalten könnten. Die Krankenkassen schreiben die Versorgung in Losen aus. Gegenwärtig haben die Lose Vetter zufolge eine Größe von bis zu 7200 Versicherten. "Dies bedeutet, dass der Ausschreibungsgewinner eine entsprechende Unternehmensgröße haben muss", so Vetter. Grundsätzlich sei es zwar auch für kleinere Unternehmen möglich, sich an Ausschreibungen in Form einer Bietergemeinschaft zu beteiligen, doch sei dies in der Vergangenheit an den Anforderungen gescheitert. Beispielhaft nennt Vetter die geforderte Hinterlegung von Bankbürgschaften in sechsstelliger Höhe.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht Qualität und Anbietervielfalt im Hilfsmittelmarkt durch die Neuregelung nicht in Gefahr. Die Krankenkassen seien gehalten, ihre Ausschreibungen so zu gestalten, dass auch kleinere Unternehmen zum Zuge kommen könnten. Zudem seien bei Hilfsmitteln mit großem Dienstleistungsanteil und individuellem Anpassungsbedarf keine Ausschreibungen vorgesehen, erläuterte Staatssekretär Rolf Schwanitz aus dem BMG vor dem Petitionsausschuss des Bundestags. Auf diesem Feld sieht er die Stärken des Mittelstands. "Ich glaube nicht, dass es zu einer Zerstörung der mittelständischen Anbieterlandschaft kommt", sagte Schwanitz. "Anlaufschwierigkeiten" räumte er jedoch ein.

STICHWORT

Ausschreibungen für Hilfsmittel

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich neu gestaltet worden. Bislang griffen die Krankenkassen auf zugelassene Lieferanten und Hersteller zurück. Nun schreiben sie die Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten aus und schließen Verträge mit einzelnen Lieferanten und/oder Herstellern. Die Ausschreibungen laufen bislang aufgrund vieler Unklarheiten noch zögerlich an. So ist beispielsweise nicht geklärt, ob die Ausschreibungen nach Europarecht gestaltet werden müssen. Doch das Verfahren wird ab 2009 verpflichtend. Dann sind laut Gesetz nur noch die Vertragspartner der Krankenkassen zur Hilfsmittelversorgung berechtigt. (ami)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

5 Kriterien der Charité

ME/CFS-Diagnose: So gehen Sie in der Hausarztpraxis vor

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Lesetipps
Vier mittelalte Frauen laufen gemeinsam über eine Wiese und lachen.

© Monkey Business / stock.adobe.com

Wechseljahre

5 Mythen rund um die Perimenopause: Eine Gynäkologin klärt auf

Eine Frau hält sich den schmerzenden Nacken fest

© Kay Abrahams / peopleimages.com / stock.adobe.com

Neue Therapieoptionen

Fibromyalgie: Was bringen Apps, TENS und Cannabis?