Bremer Brechmittel-Tod vor dem BGH

Nächster Akt im Urteil-Wirrwarr um den Brechmittel-Todesfall von Bremen: Jetzt muss sich der Polizeiarzt vor dem Bundesgerichtshof verantworten. Es geht um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung, nachdem ein Bremer Kokain-Kleinhändler nach Gabe eines Brechmittels starb.

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"Ipecacuanha" - dieses Brechmittel erhielt der mutmaßliche Bremer Drogendealer.

"Ipecacuanha" - dieses Brechmittel erhielt der mutmaßliche Bremer Drogendealer.

© dpa

BREMEN (stg). Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich am heutigen Mittwoch erneut mit dem tödlichen Brechmitteleinsatz gegen einen Bremer Kokain-Kleinhändler von Ende 2004.

Damals hatte ein Arzt im Polizeiauftrag einem Dealer Brechsirup und literweise Wasser mit einem Nasen-Magen-Schlauch eingeflößt. Dabei fiel der gefesselte 35-Jährige ins Koma; elf Tage später, Anfang 2005, war er tot.

Bei der Aktion wurden fünf verschluckte Drogenbehälter mit insgesamt 0,5 Gramm Kokaingemisch als Beweismittel sichergestellt.

In einem ersten Prozess sprach das Landgericht Bremen 2008 den Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei, denn er habe erstmals einen solchen Einsatz durchgeführt und sei überfordert gewesen.

Der BGH hob das Urteil 2010 wieder auf: Der damals 41-jährige unerfahrene Gerichtsmediziner hätte den Einsatz gar nicht erst übernehmen dürfen. Die Bundesrichter verwiesen den Fall zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer zurück.

Auch dieses Gericht entschied im Juni 2011, dass dem Polizeiauftragsarzt nicht mit letzter Sicherheit eine Schuld nachzuweisen sei. Eine mögliche Todesursache sei ein erst nachträglich entdeckter Herzfehler in Kombination mit Stress beim Brechmitteleinsatz.

Der Arzt habe die Gefahr nicht vorhersehen können. Seinerzeit seien Brechmitteleinsätze als ungefährlich eingestuft worden, so das Gericht.

Mutter legt Revision ein

Gegen diesen neuerlichen Freispruch legte die afrikanische Mutter des Getöteten als Nebenklägerin wiederum Revision ein, über die nun der BGH in Leipzig entscheiden muss. Ihre Bremer Anwältin Elke Maleika meinte dazu, es handele sich um einen Fall "rassistisch getönter Polizeigewalt".

Mehr als eine Stunde lang habe der heute 48-jährige Arzt die Zwangsbehandlung durchgeführt, wobei zwei Polizisten den Afrikaner "fesselten, seinen Kopf festhielten und seinen Mund gewaltsam öffneten".

Angesichts seines qualvollen Sterbens dürfe der Freispruch nicht das letzte Wort sein. Die Mutter hat inzwischen 10.000 Euro Schmerzensgeld vom Land Bremen erstritten.

 2005 stoppte Bremen den Zwangseinsatz von Brechmitteln, andere Bundesländer erst 2006, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Brechmittelzwang als "unmenschlich und erniedrigend" eingestuft hatte.

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