Aufklärung

Bundesgerichtshof stärkt Ärzten den Rücken

Der BGH hat ein Leiturteil zum Streit um Inhalte des ärztlichen Aufklärungsgesprächs gefällt. Die Richter urteilen: Im Zweifel sollen die Gerichte den Ärzten eher glauben als den Patienten.

Veröffentlicht:
Ärztliche Aufklärung: Ärzte müssen sich vor Gericht nicht im Detail an den Inhalt erinnern, so der BGH.

Ärztliche Aufklärung: Ärzte müssen sich vor Gericht nicht im Detail an den Inhalt erinnern, so der BGH.

© Mangostock/fotolia.com

KARLSRUHE. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat Ärzten den Nachweis einer korrekten Aufklärung ihrer Patienten erheblich erleichtert.

Ein solcher Nachweis muss selbst dann möglich sein, wenn es zu bestimmten Gesprächsinhalten keine schriftliche Dokumentation gibt und sich der Arzt an das Gespräch konkret nicht erinnert, heißt es in einem aktuellen Urteil.

Danach sollen die Gerichte einer schlüssigen Darstellung des Arztes eher glauben als der Erinnerung des Patienten.

Dem Kläger war in einer Klinik im Raum Freiburg eine klappentragende Prothese der Aorta ascendens eingesetzt worden. Die Op sollte unter Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen.

Während des Eingriffs dehnte sich ein Aneurysma derart aus, dass dies nicht mehr möglich war. Die Op wurde bei abgeschalteter Herz-Lungen-Maschine mit tiefhypothermem Kreislaufstillstand fortgeführt.

Nach der Op litt der Patient unter einer Nervenstörung mit Gangunsicherheit, Schwindel sowie Störungen der Augenmotorik und der Sprache. Nachbehandlungen blieben erfolglos.

Routinemäßiges Aufklärungsgespräch

Der Patient meint, wegen unzureichender Aufklärung müssten Arzt und Klinik hierfür haften. Der schriftliche Aufklärungsbogen habe nur Informationen zur Operation bei laufender Herz-Lungen-Maschine gegeben. Dass es notwendig werden kann, die Maschine abzuschalten, sei auch im Gespräch nicht Thema gewesen.

Dem widersprachen die Ärzte. An das konkrete Gespräch könnten sie sich zwar nicht im Einzelnen erinnern. Diese Situation sei aber routinemäßig immer Bestandteil ihrer Aufklärungsgespräche.

Dem BGH reichte dies aus. Zwar liege die Beweislast für eine korrekte Aufklärung beim Arzt; es sei aber auch zu berücksichtigen, dass Patienten diese Beweislast haftungsrechtlich missbrauchen können. Dabei sei es verständlich, dass sich Ärzte angesichts der Vielzahl ihrer Gespräche nicht an jedes im Detail erinnern können; dies zu verlangen sei überzogen und "unbillig".

Umgekehrt gebe es "vielerlei verständliche Gründe", dass sich Patienten im Nachhinein nicht richtig an solche Gespräche erinnern.

Schriftliche Aufzeichnungen dringend zu empfehlen

"Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist", heißt es daher in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 28. Januar 2014.

Zwar seien schriftliche Aufzeichnungen über die Inhalte des Aufklärungsgesprächs "nützlich und dringend zu empfehlen". Ihr Fehlen dürfe aber nicht dazu führen, dass Ärzte keine Beweismöglichkeit mehr haben.

Selbst wenn ein Arzt keine Formulare benutzt, müsse er "eine faire und reale Chance haben", den notwendigen Beweis zu führen. Gleiches gelte für Aufklärungsinhalte, die über den schriftlich dokumentierten Teil hinausgehen, betonten die Karlsruher Richter. (mwo)

Az.: VI ZR 143/13

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Vertrauensvorschuss

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gutachter- und Schlichtungsstelle

Zahl der Behandlungsfehler in Hessen leicht rückläufig

Kommentare
Ulf Morling 05.03.201407:35 Uhr

Halbgötter

Das Urteil führt annähernd zur rechtswidrigen Beweislastumkehr,setzt den Arzt in einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil und erklärt den Patienten in seiner Erinnerung und Aussage für (eher) unmündig. Dabei müsste "nur" der Dokumentationspflicht genüge getan werden!
Das Urteil wird das Misstrauen gegen die Mediziner schüren: sollen Patienten zukünftig zum Aufklärungsgespräch ihre Anwälte mitbringen, um eventuelle Fehler belegen zu können?
Die Richter des BGH haben den Ärzten unterm Strich einen Bärendienst erwiesen und: eine bedenkliche Neigung ihrer (natürlich) subjektiven Sicht in Richtung der Mediziner bewiesen.

<< < 1 2 > >>
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Beschluss des G-BA

Lungenkrebs-Screening wird Kassenleistung

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Lesetipps
Ein Mann fasst sich an den Kopf und hat die Stirn in Falten gelegt.

© Pongsatorn / stock.adobe.com

Indikation für CGRP-Antikörper?

Clusterkopfschmerz: Erenumab scheitert in Prophylaxe-Studie

Eine Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den Bauch.

© dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schmerzerkrankung

Endometriose-Leitlinie aktualisiert: Multimodale Therapie rückt in den Fokus

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung