Selbstvermessung

Chancen für Ärzte und Patienten?

Immer mehr Patienten nutzen Wearables zur Selbstvermessung. Das ist solange ungefährlich, wie die daraus resultierenden Daten transparent verwertet werden, so Experten.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Die App als Behandlungsbegleiter? – Das könnte insbesondere für Chroniker hilfreich sein,

Die App als Behandlungsbegleiter? – Das könnte insbesondere für Chroniker hilfreich sein,

© georgejmclittle / stock.adobe.

MÜNCHEN. Die Selbstvermessung via Smartphone und anderen digitalen Geräten, die immer mehr Patienten für sich entdecken, ist per se kein schädlicher Trend. Darüber waren sich Experten beim Dialog Gesundheitswirtschaft in München einig. Viele Menschen wollten mittels Self-Tracking schlicht mehr über sich erfahren. Allerdings stelle sich stets die Frage, wo die erfassten Daten gespeichert und wofür sie verwendet würden. Das müsse im Sinne der Nutzer transparent sein, konstatierten die Gesundheitsexperten einhellig auf der Veranstaltung, die die Hochschule Fresenius in Kooperation mit der Stiftung Münch und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ausgerichtet hat.

Seit einigen Jahren ginge nicht zuletzt die Sorge um, Krankenversicherungen könnten Tarife bald mit Verhaltensdaten begründen. Dies würde das Solidaritätsprinzip aufweichen. Wer beginne zu rauchen, oder Vorsorgetermine versäume, müsse auf einmal mehr bezahlen. "Es gibt keinen Tarif in der privaten Krankenversicherung in ganz Deutschland, der irgendwo vorsieht, dass man durch digitale Selbstoptimierung einen Tarif gestalten kann", betonte Daniel Bahr. Das verbiete der Gesetzgeber, so der frühere Bundesgesundheitsminister (FDP) und derzeitige Leiter des Ressorts Leistungsmanagement und Vertrieb im Vorstand der Privaten Allianz Krankenversicherung.

Vorgehen nicht rentabel

In der Krankenversicherung gebe es kein Verschuldensprinzip. Modellrechnungen hätten zudem gezeigt, dass ein solches Vorgehen gar nicht rentabel wäre, berichtete Bahr. Die Allianz nutze Tracking bei Kfz-Haftpflichtversicherungen für Junge. Wer gut fahre, spare mit BonusDrive bis zu 40 Prozent. Tatsächlich verbessere sich so das Fahrverhalten. In der deutschen Krankenversicherungslandschaft würden dagegen allenfalls über Zuschüsse zu Fitness-Trackern Anreize für gesundes Verhalten geschaffen. Patienten seien einer Umfrage nach kaum bereit, ihrer Krankenkasse per App erfasste Gesundheitsdaten zu überlassen. Ihrem Arzt würden drei von vier Patienten solche Daten geben, bei chronisch Kranken sogar 93 Prozent. Großes Potenzial bieten Apps daher insbesondere als Behandlungsbegleiter, so Bahr. "Wir könnten heute eine Menge Geld sparen, in der Gesetzlichen Krankenversicherung wie in der Privaten, wenn wir einfach nur das tun würden, was wir schon wissen." Compliance sei dabei wesentlich. Chronisch Kranke, die ihre Behandlung einhielten, verursachten nicht mehr Kosten als andere Versicherte.

Die App Tinnitracks reduziere beispielsweise durch speziell angepasste Musik Tinnitus. Novego biete Begleitung und Training für Depressive. Eine weitere Anwendung helfe Diabetikern, Blutzuckerwerte zu messen und mit dem Arzt zu besprechen. Allianz-Versicherten würde die Nutzung dieser Apps finanziert. "Es gibt verschiedene Apps, die unseren Versicherten im Versorgungsalltag einen Mehrwert bieten sollen", so Dr. Claudia Wöhler. Wie die Geschäftsführerin der Barmer Landesvertretung Bayern feststellte, werde ihr Einsatz von der Versorgung her gedacht. Bedarfe, Wirksamkeitsnachweise und Qualität seien wesentliche Kriterien.

Paternalismus als Risiko

Die Barmer mache einige Apps zugänglich, darunter die Mimi Hör-Apps, die Anwendung FIT2GO, den Teledoktor und das Arztnavi. Telemedizinische Möglichkeiten sollten gerade auch dazu beitragen, die Versorgung auf dem Land zu verbessern. Digitale Weiterentwicklungen forderten eine intensivere Kooperation von Sektoren und Disziplinen.

Mögliche Risiken von Gesundheits-Apps erörterte Soziologe Dr. Fabian Karsch von der TU München. Sie könnten je nach gesellschaftlicher Einordnung soziale Kontrolle, Diskriminierung, Überwachung und Paternalismus verursachen. Im positiven Sinne hätten sie aber das Potenzial, Gesundheitskompetenz zu stärken und Empowerment zu ermöglichen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München

Weniger Bürokratie

Wie nützt Digitalisierung?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Muster 16. DiGA-Verordnungen sind als „Gebühr frei“ zu kennzeichnen (1). Im BVG-Feld (2) steht eine „6“, wenn nach Bundesversorgungs- oder -entschädigungsgesetz Anspruch auf die Verordnung besteht. Im Verordnungsfeld (3) darf maximal eine DiGA verordnet werden. Anzugeben sind „Digitale Gesundheitsanwendung“, die PZN und der Name der jeweiligen DiGA [7].  Pfizer Deutschland GmbH

© Pfizer Deutschland GmbH

Chronischer Schmerz: Digitalisierung hält Einzug

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Pfizer Pharma GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!