Medica

Digitalisierung ist für Ärzte alternativlos

Ohne Digitalisierung wird es in Zukunft nicht gehen. Das gilt für Kassen und Ärzte, hieß es beim Medica Econ Forum.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Sieht vier große Digitaltrends: KI-Experte Christian Baudis am Montag beim Medica Econ Forum. Matthias Wallenfels

Sieht vier große Digitaltrends: KI-Experte Christian Baudis am Montag beim Medica Econ Forum. Matthias Wallenfels

© Matthias Wallenfels

DÜSSELDORF. Werden Haushaltsroboter in Zukunft medizinische Versorgungsaufgaben wahrnehmen?

Für den ehemaligen Google-Deutschland-Chef Christian Baudis ist dies kein von der Hand zu weisendes Szenario, wie er am Montag im Rahmen des siebten von der Messe Düsseldorf und der Techniker Krankenkasse (TK) veranstalteten Medica Econ Forums im Rahmen der weltgrößten Medizinmesse Medica verdeutlichte.

Er verwies auf die Ankündigung des US-IT-Giganten Amazon, bald einen Haushaltsroboter auf den Markt zu bringen. Dieser könne durch die Vernetzung mit anderen Geräten zum Beispiel den Blutdruck überwachen oder auch Arzttermine vereinbaren, wenn ein Sensor in einem vernetzten Gerät eine entsprechende Bedarfssituation erkennt.

Generell geht der Digitalisierungsexperte von insgesamt vier Megatrends der nahen Zukunft aus: Robotik und selbstfahrende Autos, Sensorik, Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) inklusive Maschinellem Lernen sowie E-Health.

„Digitalisierung braucht keine Freaks“

Der Treibstoff für diese Entwicklung sei die konsequente, algorithmengestützte Verarbeitung und Interpretation von Daten, die es erlaube, Bedarfssituationen zuverlässig zu erkennen.

Dazu nannte er das Beispiel seiner Bestellung von Katzenfutter bei Amazon: Die erste Lieferung habe sechs Tage gedauert, die zweite vier Tage, die dritte neun Stunden und sie vierte sogar nur vier Stunden.

„Das heißt, die letzte Lieferung lag nach der genauen Prognose meines Bestellverhaltens bereits im nahen Logistiklager, als ich bestellt habe“, so Baudis.

Sicher ist sich Baudisauch, dass es in fünf Jahren in Deutschland Pflegeroboter im Einsatz geben wird, deren Tätigkeiten über die heute weitgehend angebotenen Servicefunktionen wie den Transport von Getränken oder Zeitungen zum Zimmer des Gepflegten hinausgehen werden.

„Digitalisierung braucht keine Freaks“, hob Baudis ergänzend hervor. Es seien teils die einfachen Dinge des Lebens, die Erfinder außerhalb des Gesundheitswesens von außen in diesen hoch regulierten Sektor einstiegen ließen. Als Beispiel nannte er das Wearable-Start-up Sensoria.

Künstliche Intelligenz könnte die ärztliche Beratung sinnvoll ergänzen

Die in Sportsocken eingenähten Sensoren erlaubten Joggern in Echtzeit Fehlbelastungen zu erkennen. Eine App zeige via Nahfeldkommunikation mit den Sensoren, bei welcher Laufsekunde wo der Schuh drücke.

Würden solche Systemlösungen zum Beispiel mit einer Apple-Watch kombiniert, sei in Zukunft ein wesentlicher Teil des persönlichen Gesundheitsmanagements mittels dieser Lösung möglich.

„Stellen die Sensoren ein Gesundheitsproblem fest, bekommt der Patient aber nicht schnell einen Termin beim Facharzt, so könnte er wohl bald auch Künstliche Intelligenz wie Dr. Watson hinzuziehen – die digitale Zweitmeinung“, prognostizierte Baudis.

Zusammen mit TK-Chef Dr. Jens Baas ist er der Meinung, so genutzte Künstliche Intelligenz (KI) könne die ärztliche Beratung der Zukunft sinnvoll ergänzen.

„Wer als Kasse bei der Digitalisierung nicht mitmacht, der wird sterben“, prognostizierte TK-Chef Jens Baas mit Blick auf die Bedeutung der Digitalisierung für die Kassen.

Smartphones haben Schrittzähler

„Früher als Assistenzarzt in der Uniklinik Münster fragte ich Patienten mit Verdacht auf PAVK, wie viele Schaufenster sie ablaufen können, bevor sie stoppen müssen. Heute hat jedes Smartphone einen Schrittzähler. Diese Daten müssen nur richtig ausgelesen werden“, so Baas.

Gleichzeitig betonte er, dass dies keinesfalls Aufgabe der behandelnden Ärzte sein dürfte, sondern von einer KI-Lösung geleistet werden müsse. Dasselbe gelte für KI in der Radiologie, in der sie Ärzte bei der Bildbefundung sinnvoll unterstützen könne oder für Kardiologen in puncto EKG-Interpretation.

Die Digitalisierung sei für Ärzte alternativlos, so Baas: „Ein Berufsfeld, das sich nicht ändert, stirbt“ führte er die Konsequenzen analog zur Kassensituation aus. Einig waren sich Baas und Baudis auch mit Blick auf den KI-Einsatz in der medizinischen Versorgung.

„Wir brauchen nicht nur Dr. Watson, sondern kommerziellen Wettbewerb und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen, um hier sinnvoll voranzukommen“, so das Abschlussplädoyer des TK-Chefs.

Lesen Sie dazu auch: Medica startet: Deutschland muss Digitalisierung voranbringen

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