Intersektorale Facharztzentren

Ein Weg zur Kostensenkung?

In intersektoralen Facharztzentren wird die gesamte Versorgungskette angeboten, von der Grundversorgung bis zur Op in der Klinik. Auf dem BMC-Kongress wurde das Modell auf den Prüfstand gestellt.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

BERLIN. Intersektorale Facharztzentren (IFZ) sind absolut kein rein augenchirurgisches Phänomen mehr. Stattdessen beobachten Experten solche Strukturen zunehmend auch in anderen Fächern, wie Onkologie, Orthopädie oder Gynäkologie.

"Wir fangen an, in anderen Fachgruppen IFZ-Strukturen zu identifizieren", sagte die Leiterin der Projektgruppe "Ambulante Versorgungsunternehmen" beim Bundesverband Managed Care (BMC) Dr. Ursula Hahn beim BMC-Kongress. Sie rückte damit ein Vorurteil über IFZ zurecht. Aus Hahns Sicht sind die Strukturen der intersektoralen Zentren nicht an die Augenheilkunde gebunden, sondern für alle Fächer geeignet. Deshalb erarbeitet die BMC-Gruppe nach ihren Angaben derzeit ein Eckpunktepapier zu allen intersektoral tätigen Einrichtungen, und dazu zählen eben auch die IFZ.

Hahn ist auch Geschäftsführerin der OcuNet-Gruppe, in der intersektoral tätige augenchirurgische Zentren zusammengeschlossen sind. Die Zentren übernehmen zum Teil Versorgungsfunktionen, die die örtlichen Kliniken oft aus finanziellen Gründen nicht anbieten. "Vertragsärzte können besonders in kleinen Fächern, wo das Vorhalten einer Hauptabteilung schwer ist, das Leistungsspektrum der Krankenhäuser über Belegabteilungen erweitern", so Hahns Überzeugung. Sie beklagte, dass der Gesetzgeber die Leistungsfähigkeit im Gesundheitswesen eindeutig bei Kliniken sehe und forderte mehr politische Unterstützung für IFZ.

Patientennähe als Vorteil

Hahn nannte viele Gründe, die für eine intersektorale Versorgung durch vertragsärztliche Einrichtungen sprechen. Neben der Patientennähe und der Flächendeckung, die die Zentren durch Filialen bieten können, hob die OcuNet-Geschäftsführerin vor allem die Kostenstrukturen im Vergleich zum Krankenhaus hervor. So kostete eine ambulante Katarakt-OP nach Hahns Angaben 2016 knapp 500 Euro. Stationär-belegärztlich liefen für die Katarakt-Op Kosten von 1528 Euro auf. In der stationären Krankenhausversorgung mit einer Hauptabteilung fielen für den gleichen Eingriff 1690 Euro an. Bei den zehn häufigsten DRG ist die Versorgung mit Belegärzten Hahn zufolge rund 25 Prozent günstiger als stationär. "Die vertragsärztliche Versorgung ist auch da günstiger, wo sie die stationäre Versorgung mit umfasst", so ihr Kosten-Fazit.

Hahn hält die IFZ-Strukturen für zukunftsweisend. Erfolgsfaktoren sind aus ihrer Sicht, dass ambulante Grund- und Spezialversorgung ebenso angeboten werden können wie ambulante Operationen. Von Vorteil ist für Hahn ein Standort am Krankenhaus im Sinn einer "Shop in Shop"-Lösung, so dass auch stationäre Versorgung in Kooperation mit dem Krankenhaus am IFZ erfolgen kann.

Die Volkswirtin und Medizinerin wies aber auch darauf hin, dass IFZ eine bestimmte Größe haben müssen, damit sie ein breites Leistungsspektrum anbieten können. Im Schnitt sind in einem OcuNet-Zentrum nach ihren Angaben 15 Fachärzte zusammengefasst. Das ermögliche es, dass Nachwuchs-Ärzte auf Wunsch angestellt arbeiten und dass bei Bedarf auch 24-Stunden-Dienste für Patienten im Krankenhaus geleistet werden können und dass die Außendarstellung einheitlich erfolgt. Zentren dieser Größe übernehmen Hahn zufolge mittelbare Versorgungsfunktionen und wirken an Forschung und Fortbildung mit. "IFZ wären auch eine mögliche Alternativstruktur bei Krankenhausschließungen in Mittelstädten", so Hahn.

"Rundumversorgung" durch IFZ

Die OcuNet-Geschäftsführerin ging beim Kongress auch auf Kritik an dem IFZ-Modell ein. Den Vorwurf der Rosinenpickerei wies sie zurück. Solch ein Geschäftsgebaren könne nicht erfolgreich sein. IFZ an Krankenhäusern machten sogar "Rundumversorgung". Auf die Kritik, dass IFZ den Praxismarkt leer kaufen würde, entgegnete sie, dass die Zentren oft auch Sitze in der Peripherie nehmen, "die wie Sauerbier angeboten werden".

Auch die Warnung, dass IFZ ein Einfallstor für "Heuschrecken" seien, hat für Hahn kein Gewicht: "Ja, es können Investoren über IFZ in den ambulanten Bereich kommen. Aber ist das so schrecklich? Entscheidend ist die Qualität der Versorgung."

Hahn verwies darauf, dass es bereits zahlreiche Varianten für IFZ gebe, wie etwa Praxiskliniken, intersektorale Netze und Managementgesellschaften. Sie plädierte für eine Weiterentwicklung "per Evolution, nicht Revolution". Dazu sind aus ihrer Sicht aber bessere Rahmenbedingungen nötig. Die Leistungen der IFZ müssten auch im EBM abgebildet werden, forderte sie.

Intersektorale Facharztzentren

Gesamte Versorgungskette: Intersektorale Facharztzentren (IFZ) bieten eine Betreuung aus einer Hand: von der ambulanten Grund- und Spezialversorgung über ambulante Operationen bis zur stationären Behandlung.

Organisationsform: IFZ können ganz unterschiedlich organisiert sein, als Berufsausübungsgemeinschaft, als MVZ oder in anderen Formen. Kennzeichnend ist, dass ein IFZ nach den bisherigen Erfahrungen im Schnitt neun Leistungsstandorte hat, davon acht mit konservativem Leistungsspektrum, vier mit ambulant-chirurgischem Spektrum und zwei mit stationärem Leistungsspektrum.

Zahl der Ärzte: Im Schnitt arbeiteten zuletzt 19 Fachärzte und sieben Assistenten an einem IFZ. Bisher gibt es IFZ vor allem in der Augenheilkunde.

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