Serie von Diagnose-Fehlern
Fehlerhafte Befunde bei Brustkrebs-Patientinnen: Uni-Medizin Göttingen überprüft Untersuchungsergebnisse
Eine Ärztin des Klinikums Bremen-Mitte soll in 34 Fällen Befunde von Gewebeproben fehlerhaft interpretiert haben. Viele Patientinnen erhielten deshalb eine unnötige Antikörper- oder Chemotherapie.
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Brustkrebs-Befunde fehlerhaft interpretiert - das soll einer Ärztin am Klinikum Bremen passiert sein.
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Göttingen/Bremen. Eine mutmaßliche Serie von Diagnose-Fehlern bei Patientinnen mit Brustkrebs in Bremen hat jetzt auch zu Konsequenzen an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) geführt. In dieser Woche war bekannt geworden, dass eine Ärztin des Klinikums Bremen-Mitte in 34 Fällen Befunde von Gewebeproben fehlerhaft interpretiert haben soll.
Die falsche Einstufung des Tumors hatte zur Folge, dass zahlreiche Patientinnen eine Antikörper- oder Chemotherapie erhielten, die nicht notwendig gewesen wäre. Wie UMG-Sprecherin Lena Bösch am Donnerstag auf Anfrage bestätigte, ist die betreffende Ärztin auch am Institut für Pathologie der Göttinger Uni-Medizin tätig. Nach Bekanntwerden des Falls habe man sämtliche von ihr bearbeiteten Fälle überprüft. „Dabei ergaben sich bislang keinerlei Auffälligkeiten“, sagte Bösch.
Spezifischer Marker wurde falsch interpretiert
Nach Angaben des Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno), zu dem das Klinikum Bremen-Mitte gehört, hat es im dortigen Institut für Pathologie zwischen Oktober 2024 und November 2025 insgesamt 34 Fehlbefunde bei Patientinnen mit Brustkrebs gegeben. Bei den Untersuchungen der Gewebeproben sei ein spezifischer Marker fehlinterpretiert worden, so dass der Tumor falsch klassifiziert worden sei, sagte Geno-Sprecherin Karen Matiszick.
Da sich die Behandlung nach der Klassifikation richtet, erhielten die Patientinnen aufgrund dieser Fehlerinterpretation nicht die für sie passende Therapie. Einige von ihnen hätten eine Chemotherapie erhalten, obwohl diese nicht notwendig gewesen sei, sagte Matiszick. Ein größerer Teil der insgesamt 34 Patientinnen sei mit einer Antikörpertherapie behandelt worden, auch diese sei nicht notwendig gewesen.
Über- statt Unterversorgung
Erstmals aufgefallen waren die Fehlbefunde im Oktober. Der behandelnde Gynäkologe habe sich gewundert, dass bei zwei Patientinnen der Tumor nicht wie erwartet auf die Therapie angesprochen habe, sagte Matiszick. Daraufhin habe er die Befunde erneut überprüfen lassen. Als sich herausstellte, dass diese fehlerhaft waren, seien alle Befunde der betreffenden Pathologin noch einmal überprüft worden. Insgesamt seien dies etwa 500 Befunde gewesen, in 34 Fällen sei die Interpretation fehlerhaft gewesen.
Die betroffenen Patientinnen seien in der überwiegenden Mehrzahl nicht unter-, sondern überversorgt gewesen, sagte Matiszick. Allerdings seien sowohl die Antikörpertherapie als auch die Chemotherapie mit massiven Nebenwirkungen und möglichen Langzeitfolgen verbunden. Um solche Fehler zukünftig zu verhindern, habe der Klinikverbund ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Außerdem habe es personelle Konsequenzen gegeben: „Die betreffende Ärztin ist nicht mehr bei uns im Dienst.“
Neue Kontrollmechanismen
Die Pathologin war in Bremen als Teilzeitbeschäftigte tätig gewesen, daneben war sie auch an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) tätig. Nach Angaben von UMG-Sprecherin Lena Bösch arbeitet sie dort jedoch in einem anderen Bereich der Pathologie. Sie sei nicht in die Befundung von Brustkrebs eingebunden, berichtete Bösch auf Anfrage.
Die UMG nehme den jetzt in Bremen bekannt gewordenen Vorfall sehr ernst. Deshalb habe man sämtliche von der Ärztin bearbeiteten Fälle aus dem Zeitraum Oktober 2024 bis November 2025 sorgfältig überprüft. Bislang hätten sich keinerlei Auffälligkeiten ergeben.
Freistellung bis Weihnachten
Die jetzt in Bremen eingeführten Kontrollmechanismen sind nach Angaben der UMG-Sprecherin in Göttingen bereits fest etabliert. „Bei uns wird grundsätzlich das Vier-Augen-Prinzip angewendet“, sagte Bösch. „Jede Befundung wird durch eine zweite ärztliche Fachperson überprüft.“
Gleichwohl haben die in Bremen aufgedeckten Fehler auch an der Göttinger Uni-Medizin zu Konsequenzen geführt. „Die Arbeit der Kollegin schätzen wir grundsätzlich sehr“, sagte Bösch. „Dennoch werden wir sie bis Weihnachten freistellen, um die Hintergründe im Rahmen unseres Qualitätsmanagementsystems transparent und umfassend aufzuarbeiten.“





