Unikliniken in Not

Ganze Fachbereiche verschwinden

Die Unterfinanzierung der Unikliniken hat fatale Folgen: Weil immer ökonomischer gedacht wird, sterben Fachbereiche wie die Endokrinologie aus, weil sie sich nicht mehr rechnen.

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DÜSSELDORF. In den Universitätskliniken hat sich der wirtschaftliche Druck dermaßen erhöht, dass strategische Entscheidungen zunehmend ökonomisch orientiert sind und nicht mehr in erster Linie medizinisch.

Das wird die Ausbildung der künftigen Mediziner beeinträchtigen und damit langfristig die Versorgung. Darauf hat der Präsident des Medizinischen Fakultätentages Professor Heyo Kroemer aufmerksam gemacht.

Einzelne Fachgebiete sind nicht rentabel und verschwinden deshalb aus manchen Unikliniken, warnte Kroemer bei einer öffentlichen Veranstaltung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf.

"Wir verlieren in Fächern wie der Endokrinologie die Expertise, weil sie nicht mehr angeboten werden." Diese Disziplinen stehen dem Nachwuchs dann nicht mehr offen.

Schuldenbremse verschärft die Lage

Zwar könnten einzelne der 32 Universitätskliniken noch wirtschaftlich arbeiten, insgesamt sei das universitätsmedizinische System 2013 aber erstmals in die roten Zahlen gerutscht. Zu der aktuellen schwierigen Lage haben eine Reihe von Faktoren beigetragen, sagte Kroemer, der Vorstandssprecher der Universitätsmedizin Göttingen ist.

Er verwies auf die Föderalismusreform, die dem Bund die Möglichkeit genommen hat, die Universitätsmedizin zu fördern. Verschärft werde die Situation durch die Schuldenbremse, die insbesondere die Bundesländer unter starken Druck bringt.

Kroemer wiederholte die Forderung nach einem Systemzuschlag zu den DRG. Damit könnten die spezifischen Leistungen der Universitätskliniken abgebildet werden, die andere Häuser nicht erbringen können.

Ein Beispiel sei die Versorgung von Kindern mit Demenz, wie sie die Uniklinik Göttingen anbiete. "Das sind Vorhaltekosten für eine Klinik, die sich niemals rechnen werden." Ein Land wie die Bundesrepublik brauche aber Anlaufstellen für betroffene Patienten.

Das DRG-System habe auch positive Seiten, sagte er. Es habe dazu geführt, dass die Transparenz von Leistungen und die daraus resultierenden Kosten transparent wurden.

"Aber die Besonderheiten der universitären Medizin werden überhaupt nicht berücksichtigt", sagte Kroemer. Deshalb sei eine Anpassung des Systems an die Rahmenbedingungen universitärer Medizin dringend erforderlich.

Allerdings würde das nichts nützen, wenn sich auf der Seite der Investitionen nichts tue, betonte er. "Wir brauchen eine konzertierte Aktion für die Universitätskliniken."

Selbstkritische Töne

Kroemer sieht positive Signale aus den Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD. "Es ist uns zum ersten Mal gelungen, die universitäre Medizin in einen Koalitionsvertrag zu kriegen." Die Universitätsklinika hätten zwar nicht erreicht, was sie gewollt hätten, es sei aber positiv, dass das Thema überhaupt Eingang in den Vertrag gefunden habe.

Der Präsident des Medizinischen Fakultätentages räumte ein, dass sich die Universitätskliniken in der Vergangenheit nicht nur mit Ruhm bekleckert hätten und sich auch eigene Versäumnisse vorwerfen lassen müssten.

So gebe es keine Kooperationen zwischen den Häusern. Die Kliniken hätten weder für die künftige Krankenversorgung noch für die künftige Ausbildung Modelle entwickelt. "Wir müssen der Gesellschaft adäquat ausgebildete Ärzte zur Verfügung stellen."

Durch die Dominanz der ökonomischen Betrachtungen werde den Ärzten zu viel zugemutet, sagte Kroemer. Ein Kardiologe an der Uniklinik führe im Grund ein mittelständisches Unternehmen. "Gleichzeitig erwarten wir, dass er ein empathischer, zugewandter Arzt ist, er muss ein brillanter Dozent sein und exzellente Forschung liefern." (iss)

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