Digitale Onkologie

„KI-Zweitmeinung“ soll Tumorboards bei Therapieentscheidungen unterstützen

An der Universitätsmedizin Mainz soll digitale Pionierarbeit für die moderne onkologische Versorgung geleistet werden. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt „KI-unterstützte Therapiebegleitung von Tumorpatienten am Beispiel der Urologie“ (KITTU) mit 2,5 Millionen Euro.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Stimmen die Algorithmen, sollte KI in der Lage sein, riesige Datenmengen zu Krebspatienten auszulesen und daraus für Tumorboards konkrete Therapieempfehlungen zu geben.

Stimmen die Algorithmen, sollte KI in der Lage sein, riesige Datenmengen zu Krebspatienten auszulesen und daraus für Tumorboards konkrete Therapieempfehlungen zu geben.

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Mainz/Berlin. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) die optimale Behandlungsoption bei urologischen Tumorpatienten herauszufiltern und so Ärzte und Betroffene bei der Therapieentscheidung zu unterstützen – das ist das Ziel des nun an der Universitätsmedizin Mainz (UM) gestarteten Verbundprojektes „KI-unterstützte Therapiebegleitung von Tumorpatienten am Beispiel der Urologie“ (KITTU).

Gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern und der Innoplexus AG in Frankfurt am Main wollen die Wissenschaftler Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologieein der UM ein KI-Assistenzsystem für die Behandlung von urologischen Tumorerkrankungen entwickeln.

Das übergeordnete Ziel sei, wie die UM am Montag mitteilte, die onkologische Behandlung zu optimieren, indem für jeden Patienten eine individualisierte und Evidenz-basierte Therapie empfohlen werden kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren mit 2,53 Millionen Euro.

„Wir haben somit die Chance, wissenschaftliche Pionierarbeit im Bereich der digitalen und KI-basierten Tumortherapie zu leisten und die Digitalisierung des Gesundheitswesens auch international weiter voranzubringen. Wir sind zuversichtlich, gemeinsam mit führenden Partnern im Bereich der Künstlichen Intelligenz translationale Erfolge erzielen und die Tumortherapie in eine digitale Zukunft führen zu können“, so der Wissenschaftliche Vorstand und Dekan der Universitäts-medizin Mainz, Professor Ulrich Förstermann, zum KITTU-Projekt.

Entlastung für Tumorboards angestrebt

Die Behandlung und Begleitung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen ist eine komplexe Aufgabe, an der zahlreiche Fachrichtungen beteiligt sind. Die Tumorboards sind je Patient mit einer großen Menge medizinischer Daten konfrontiert – eine Mammut-Aufgabe.

Digitale Methoden, die auf KI basieren, eignen sich hervorragend, um die umfassenden und komplexen Patientendaten zu analysieren und eine zielgerichtete Therapie zu empfehlen. Eine individualisierte Tumortherapie erhöht die Behandlungsqualität, reduziert Risiken und Nebenwirkungen.

„KITTU ist so konzipiert, dass die angestrebten Ergebnisse bei einer erfolgreichen Entwicklung später direkt in die routinemäßige Krankenversorgung umgesetzt werden können. Der Nutzen einer solchen Softwareplattform wäre sowohl für die Betroffenen immens als auch für die behandelnden Teams: Denn durch die Existenz des angestrebten zentralen digitalen Knotenpunkts hoffen wir, langfristig die interdisziplinäre Zusammenarbeit der behandelnden Ärzt:innen weiter verbessern sowie den erforderlichen Aufwand für administrative Tätigkeiten reduzieren zu können“, erläutert Dr. Gregor Duwe, Projektkoordinator und Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der UM.

Grundstein für ein internationales und interdisziplinäres Netzwerk

Um eine solche KI-Software entwickeln zu können, die aus Patientendaten eigenständige Empfehlungen ableiten kann, bedarf es eines eigens definierten und spezifisch trainierten KI-Algorithmus. Als primäre Informationsquelle für die Etablierung stehen Entscheidungen vergangener Tumorboards sowie die hierfür relevanten klinischen Studien zur Verfügung.

„Zusätzlich gewichten unsere onkologischen Expert:innen die Relevanz der klinischen Entscheidungen, um das KI-System, wir bezeichnen es als ‚Wissensgraph‘, auch mit der Fähigkeit auszustatten, Therapieempfehlungen begründen zu können. Diese dienen dann sozusagen als eine Art Zweitmeinung, um die Beteiligten zu unterstützen, die geeignete Therapie auszuwählen“, erklärt Professor Jürgen Scheele, bei Innoplexus Chief Medical Officer.

Professor Andreas Dengel, Geschäftsführender Direktor des DFKI erläutert den langfristigen Nutzen von KITTU so: „KITTU schafft die Basis, um die entwickelten KI-Lernverfahren und deren Erklärbarkeit im Rahmen von prospektiven, klinischen Studien weiter zu verbessern und anschließend auf weitere Tumorerkrankungen zu übertragen. Dazu wird mit dem Verbundprojekt auch der Grundstein für ein internationales und interdisziplinäres Netzwerk zwischen Kliniken und Forschenden gelegt.“

Seitens der UM sind insbesondere das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) als ein Comprehensive Cancer Center im Netzwerk für Onkologische Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe sowie die Klinik und Poliklinik für Urologie beteiligt.

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