Schweigepflicht

Karlsruher Richter stärken Patientendatenschutz

Das Bundesverfassungsgericht gibt einer depressiven Klägerin recht, deren Berufsunfähigkeitsversicherer die Zahlung einer Rente verweigerte, weil sie Ärzte, Kasse und Behörden nicht vollumfänglich von der Schweigepflicht entbinden wollte. Sie habe das Recht auf einschränkende Auskunftserlaubnis.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Patienten müssen nicht alle Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, wenn sie Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen wollen.

Patienten müssen nicht alle Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, wenn sie Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen wollen.

© imagebroker/imago

KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat das Grundrecht auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung gegenüber Versicherungsunternehmen gestärkt.

Nach einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss müssen Ärzte daher damit rechnen, dass Patienten sie gezielter als bisher nur für bestimmte Informationen von der Schweigepflicht befreien.

Die Beschwerdeführerin litt an Depressionen und konnte daher nach eigener Einschätzung nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. So beantragte sie eine monatliche Rente aus ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.

Nach den Geschäftsbedingungen des Versicherers sollte sie Ärzte, Krankenkasse, Heime und Behörden von ihrer Schweigepflicht befreien, damit das Unternehmen den Antrag prüfen kann.

Ein vom Versicherer zugesandtes pauschales Formular unterschrieb sie aber nicht. Auch daraufhin zugeschickte Einzelformulare für Krankenkasse, Ärzte und Rentenversicherung gingen ihr noch zu weit.

Landgericht wies die Klage noch ab

Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies ihre Klage auf Berufsunfähigkeitsrente daher ab. Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung nun auf.

Versicherungsnehmer hätten faktisch keine Chance, über die Geschäftsbedingungen und insbesondere auch über Schweigepflicht-Klauseln zu verhandeln. Daher sei es Aufgabe des Staates und der Gerichte, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen.

Dieses Ziel habe das Landgericht verfehlt. Es soll sich daher nochmals neu mit dem Streit befassen, so das Bundesverfassungsgericht.

Ein Ausgleich der Interessen könne dabei in einem mehrstufigen Dialog gefunden werden, schlagen die Karlsruher Richter vor: Zunächst könne eine Einigung erzielt werden, welche Stellen relevante Informationen haben könnten.

Im zweiten Schritt könnte dann geklärt werden, für welche konkreten Daten die Versicherungsnehmerin die jeweilige Stelle von der Schweigepflicht entbinden muss.

Neues Recht zwängt Versicherer in engeres Datenkorsett

Für Versicherungsfälle ab Anfang 2009 sieht auch das Versicherungsvertragsgesetz vor, dass Versicherer Daten nur abfragen dürfen, soweit dies "für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist".

Vor jeder Abfrage müssen die Versicherer den Versicherungsnehmer informieren, dieser kann dann widersprechen.

Daher kann auch nach neuem Recht ein Streit entstehen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem Altfall entschieden hat.

Az.: 1 BvR 3167/08

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