Junge Ärzte

Klinik-Organisation zählt

Die Arbeit als Arzt im Krankenhaus hat viele belastende Faktoren. Beim  Hauptstadtkongress disskutierten Experten, wie sich die Arbeitsbedingungen verbessern lassen.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

BERLIN. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hat die psychische Belastung von Ärzten im Krankenhaus in einer Studie untersucht.

Studienleiter Professor Albert Nienhaus berichtete: "Das war die schwierigste Studie überhaupt. Die Bereitschaft der Krankenhäuser, sich darauf einzulassen, war extrem gering. Es ist leider immer noch ein Tabuthema unter Ärzten über ihre eigenen Arbeitsbedingungen zu sprechen."

Alle haben Zeitdruck

Einige Ergebnisse: Junge Ärzte klagen weniger über Probleme mit Vorgesetzten als etwa Oberärzte. Der Umgang mit Kollegen ist bei jungen Ärzten eine stärkere positive Ressource als bei Oberärzten.

Handlungsspielraum und Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung werden von allen Altersgruppen mittelgut eingeschätzt, und über Zeitdruck bei der Arbeit klagen alle Altersgruppen in gleichem Maß.

Nienhaus wies darauf hin, dass die Ergebnisse je nach Krankenhaus und Station stark variierten. Sein Fazit: "Wo Unterstützung durch erfahrene Kollegen, Planbarkeit der Arbeit und Planbarkeit der Weiterbildung gegeben sind, sind die Gesundheitsindikatoren bei den jungen Ärzten und Ärztinnen positiver ausgeprägt als in den anderen Häusern und Stationen."

Das unterschreibt auch Dr. Kevin Schulte, Vorsitzender des Bündnisses Junger Ärzte, in dem 18 Organisationen junger Ärzte zusammengeschlossen sind. Schulte verwies auf eine Studie der Organisation Junger Internisten, die schon im Jahr 2014 gezeigt habe, dass die Arbeitsbedingungen von Ärzten im Krankenhaus deutlich belastender sind als in anderen Branchen.

"Es ist der bisher höchste gemessene Belastungswert in der Geschichte dieses Tests", sagte Schulte. Er warnte: "Dieser Wert deutet an, dass die jungen internistischen Assistenzärzte gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind."

Harte Arbeitsbedingungen

Schulte verwies auch auf das branchenübergreifende Benchmarking im Rahmen der "Great Place to Work"-Initiative.

Dabei nehmen nach seinen Angaben ohnehin nur wenige Kliniken teil, und sogar die am besten bewerteten Kliniken schneiden bei der Einschätzung, ob die Arbeitsbedingungen gesund sind, durchweg schlechter ab als der Durchschnitt aller Branchen. "Es gibt keine Branche, in der die Erwartungen an die Mitarbeiter so weit divergieren von dem was machbar ist", so der junge Berufspolitiker.

Schulte sieht insgesamt drei Stellschrauben, um die Arbeitsbedingungen junger Ärzte im Krankenhaus zu verbessern. Ausschlaggebend sind nach seiner Auffassung neben dem Selbstmanagement und der Stationsorganisation auch die Prozessorganisation auf Klinikebene im Krankenhaus und die politischen Rahmenbedingungen.

"Man muss auch Geld dafür bereit stellen, dass der Arzt Zeit für Patientengespräche hat, wenn man das von ihm erwartet", forderte der Sprecher der Jungen Ärzte.

Auch auf der Facharzt-Ebene ist die Arbeitszufriedenheit meist nicht höher als bei Assistenzärzten. Das hat das Projekt FacharztPlus gezeigt. Laut Projektleiter Professor Klaus Hahnenkamp von der Uniklinik Greifswald wünschen sich Fachärzte in erster Linie verbesserte Mitarbeiter-Gespräche und Karriereperspektiven.

"Eine Zwischenstufe zwischen Oberarzt und Facharzt fehlt. Würden wir dafür eine Tarifgruppe finden, wäre uns meiner Meinung nach geholfen", sagte er.

Doch der Anästhesist Hahnenkamp sieht noch viele weitere Ansatzpunkte, zum Beispiel bei der OP-Planung: "Wir brauchen Systeme, die die Kompetenzanforderungen an die einzelne Operation abbilden und gleichzeitig spiegeln, welcher Mitarbeiter mit diesen Kompetenzen verfügbar ist."

Kliniken mit Nachholbedarf

Das sei nicht nur für die OP-Planung, sondern auch für die Personalentwicklungsplanung wichtig. "Das haben wir im Krankenhaus bislang vernachlässigt", meint Hahnenkamp. Sein Plädoyer: "Wir müssen den Mut haben, den Arbeitsplatz im Krankenhaus anders zu denken."

Die Politik erkennt indes an, dass auch sie am Zug ist. Lothar Riebsamen, der Krankenhaus-Experte der CDU im Bundestag, wies auf die ungelöste Investitionsproblematik hin: "Solange Mittel aus dem personellen Bereich für Investitionen entnommen werden, haben wir ein Problem. Hier müssen wir als Bund natürlich Druck machen, dass es so nicht weitergehen kann", sagte er.

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