30.000 Tote

Klinikhygieniker schlagen Keim-Alarm

Unhygienische Zustände in deutschen Kliniken kosten jedes Jahr 30.000 Menschen das Leben. Diese hohe Zahl hat die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene errechnet. Es mangele an Personal, Antibiotika und Reinigung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hält dagegen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Schreckgespenst MRSA: Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene fordert mehr Reinigungspersonal.

Schreckgespenst MRSA: Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene fordert mehr Reinigungspersonal.

© gpointstudio / fotolia.com

BERLIN. Die Zahlen sind umstritten. Auf 900.000 im Jahr schätzt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) die Zahl der nosokomialen Infektionen in Krankenhäusern in Deutschland. 30.000 Menschen fielen alljährlich den Klinikkeimen zum Opfer. Infektionen in Pflegeheimen und im ambulanten Sektor seien dabei nicht berücksichtigt. "Wir haben ein Problem, dem wir uns stellen müssen", sagte DGKH-Präsident Professor Martin Exner bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Die Hochrechnung der Klinikhygieniker liegt weit höher als die vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen an der Charité angenommen. Das geht von rund 10.000 bis 15.000 an Krankenhauskeimen sterbenden Patienten im Jahr aus.

Ein Drittel der Fälle vermeidbar

Die Berliner Forscher haben für das Jahr 2009 knapp 620.000 Klinikinfektionen errechnet. Ein Drittel davon sei vermeidbar. Das bedeutet, dass nicht jeder Tod durch Keimbefall zwingend ist. 2000 bis 4500 vermeidbare Todesfälle im Jahr könnten es sein, schätzen die Charité-Forscherinnen Petra Gastmeier und Christine Geffers.

"Jede vermeidbare Infektion infolge einer medizinischen Behandlung ist immer eine zuviel", reagierte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Zentrales Problem seien die Antibiotikaresistenzen, für die die Kliniken nicht verantwortlich gemacht werden dürften.

Die Krankenhäuser bräuchten zudem mehr Geld für Investitionen in moderne Zimmer und Sanitärräume, so Baum. Alleine könnten die Kliniken das Infektionsproblem nicht lösen.

DGKH: Mehr Reinigungspersonal!

Vergleichsweise schnell gegensteuern ließe sich mit dem Einsatz von mehr Reinigungspersonal, sagte DGKH-Vize Professor Walter Popp. Eine Umfrage der DGKH unter Hygieneärzten und -fachkräften habe ergeben, dass in mehr als der Hälfte der Kliniken an Sonntagen nicht mehr geputzt werde. An Reinigung und Desinfektionsmitteln werde massiv gespart.

Es gibt auch gute Nachrichten vom Kampf gegen die Keime. Das Infektionsschutzgesetz scheint zu greifen. "Die Kurse für Hygienefachkräfte sind krachend voll", sagte Popp. Bei den Hygienefachärzten könne allerdings noch mehr getan werden. Dafür müsse das Fach im Studium wieder an Bedeutung gewinnen. An den Universitäten wieder mehr Hygieneinstitute einzurichten ist auch eine Forderung des Deutschen Ärztetages.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hygienemängel im System

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Kommentare
Dr. Joachim Malinowski 08.04.201413:58 Uhr

Bis sich grundlegend etwas ändert, muss .....

Vielleicht muß es erst Todesfälle bei verantwortlichen Politikern durch Krankenhausinfektionen geben, damit grundlegend etwas besser wird?!

Vor Tagen war hier die Rede von z.B. Kupferbeschichtungen auf stark belasteten Oberflächen in Krankenhäusern. Was ist mit diesem einfachen Ansatz geschehen? Türklinken, Arbeitsflächen, Tastaturen etc. wären demnach viel leichter keimarm zu halten, als mit unzureichenden Wischaktionen mit fraglichen Lösungen.

Ein innovatives Umdenken in alle Richtungen ist gefordert.

Sandro Taumer 31.03.201421:15 Uhr

Klinikhygieniker schlagen Keim-Alarm

Bemerkenswert daran ist; im Vergleich zu früher gibt es mittlerweile in jedem Haus sogen. "Qualitätsstandarts" mit ganzen Räumen voller Akten und zuständiger Mitarbeiter! Nur beim Patienten befindet sich eher weniger Personal, das dann noch zunehmend Zeit aufzuwenden hat, die immer aufwendiger auszufüllenden Hygienedokumente und Nachweise dann auch noch zu bearbeiten!
Diese Zeit- für den Papiernachweis(!)- so möchte man fast unterstellen, fehlt dann wohl offenbar bei der Durchführung der Hygienemaßnahmen?!
Welchen Nutzen ziehen wir eigentlich aus der sich immer mehr zunehmenden "QM"- Arbeit, steigen nicht zur die Zahl der Krankenhausinfektionen, sondern auch weitere Klinikzwischenfälle mehr und mehr an???

Margarita Moerth 31.03.201408:09 Uhr

Wo bleiben die Menschen?

Erschütternd, wie die Medizin immer mehr zu einem Wirtschaftszweig entartet.
Betriebswirte entscheiden im Krankenhaus mehr oder weniger über Wohl und Wehe der Patienten, Ärzte, Schwestern, Pflege- und, ja, auch Reinigungspersonal laufen der Alltagsrealität ohne Aussicht auf zufriedenstellenden Erfolg hinterher.
Es hieß doch einmal, der Mensch, der Patient stehe im Mittelpunkt allen Bestrebens?
Doch wäre ein Pauschalurteil hier ungerecht gegenüber eben all jenen Menschen, die in den Krankenhäusern ihr Bestes geben, zum Wohle der Patienten. Nicht auf sie darf man den Stein werfen. Im Gegenteil, es ist eine Aufgabe der Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass unsere Krankenhäuser wieder genesen und nicht zu Menschen-Reparatur-Fabriken entarten.

Dipl.-Med Wolfgang Meyer 28.03.201420:47 Uhr

Wo sind die Hygieneärzte?

In einer Zeit, da selbst ein Klinikverbund mit mehr als 500 Betten keinen
Hygienearzt einstellt, keine Auswertung von Infektionen und Resistenzent-
wicklungen mehr erfolgt, kaum noch wirkliche Erregersuche mehr betrieben
wird, weil Laborfabriken diese Untersuchungen abschöpfen und Qualitäts-
sicherung kaum mehr ärztlich vor Ort im Zusammenhang mit Diagnostik und Therapie erfolgt, wer will sich da noch wundern!? Das Schlimmste daran ist, dass wir Ärzte all dies mittragen und mitverantworten! Die Verökono-
misierung der Medizin schreitet weiter voran und wird noch ganz andere Entwicklungen vorantreiben!

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