Nordrhein

Knatsch um Behandlungsfehler

Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler in Nordrhein steht in der Kritik der Versicherungen. Knackpunkt sind umstrittene Unterlagen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Folgen die Parteien in strittigen Fällen von Behandlungsfehlern den Empfehlungen der Gutachterkommission, bleibt das Gericht außen vor.

Folgen die Parteien in strittigen Fällen von Behandlungsfehlern den Empfehlungen der Gutachterkommission, bleibt das Gericht außen vor.

© Aycatcher / fotolia.com

DÜSSELDORF. Die Berufshaftpflichtversicherer der Ärzte werfen den Gutachterkommissionen Sand ins Getriebe und verzögern damit die Abwicklung der Verfahren.

Das hat der scheidende Vorsitzende der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler (GAK) bei der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) Dr. Heinz-Dieter Laum auf der ÄKNo-Kammerversammlung in Düsseldorf berichtet.

Wenn die GAK Stellungnahmen der betroffenen Ärzte oder Kopien von Krankenunterlagen anfordert, machen die Versicherer die Übersendung der Dokumente inzwischen häufig davon abhängig, dass der Patient eine Schweigepflichtsentbindungs- und Einwilligungserklärung abgibt.

Sie basiert auf einem von der Versicherungswirtschaft gemeinsam mit Datenschützern entwickelten sogenannten Code of Conduct zum Umgang mit persönlichen Daten.

Patienten müssen sich selbst kümmern

Laum kritisierte, dass die Versicherer Haftpflichtschäden nur noch auf Basis dieser Erklärung bearbeiten wollen.

"Nach unserer Meinung sind die Haftpflichtversicherer verpflichtet, die Anträge zügig zu bearbeiten und nicht von einer Erklärung abhängig zu machen, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt", sagte der Präsident des Oberlandesgerichts a.D.

Wenn die Versicherer die geforderten Unterlagen nicht fristgerecht zur Verfügung stellen, muss die Kommission die Patienten auffordern, sich selbst um die Beschaffung zu kümmern. "Das kostet Zeit und Geld", sagte er.

Die Ständige Konferenz Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei der Bundesärztekammer hat bereits Gespräche mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft über das Thema geführt. "Wir hoffen, dass es zu einer Einigung kommt", sagte Laum.

Die Versicherer würden die mit den Datenschutzbehörden abgestimmte Einwilligungs- und Schweigepflichtsentbindungserklärung verwenden, weil bei den Schlichtungsverfahren zurzeit eine rechtssichere Grundlage für die Datenübermittlung fehle, erläuterte ein Sprecher des GDV.

"Zur Legitimation des Versicherers reicht es nämlich nicht aus, dass dieser dem behandelnden Arzt gegenüber aus dem Versicherungsvertrag zur Prüfung der Ansprüche verpflichtet ist."

Die Einwilligungen, die manche Gutachterkommissionen bisher verwenden, entsprächen nicht den Anforderungen der Datenschutzbehörden und seien zum Teil schon beanstandet worden, sagte der Sprecher. Die Gespräche zwischen Versicherern und Schlichtungsstellen zielten darauf ab, eine spezielle Erklärung für die Schlichtungsverfahren zu formulieren.

Entsprechende Vorschläge lägen auf dem Tisch. "Für den GDV steht dabei im Vordergrund, eine Lösung zu finden, die das mit den Datenschutzbehörden vereinbarte Datenschutzniveau nicht unterschreitet."

Behandlungsfehlerquote ging zurück

Die Probleme mit den Haftpflichtversicherern haben laut Laum dazu beigetragen, dass in Nordrhein die Zahl der erledigten Verfahren in der Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. September 2015 um 6,4 Prozent auf 2114 zurückgegangen ist.

1187 Verfahren wurden mit einem gutachterlichen Bescheid beendet. In den zwölf Monaten ist die Behandlungsfehlerquote, also der Anteil der festgestellten Fehler an den von der GAK untersuchten Fällen, von 28,82 Prozent auf 28,36 Prozent zurückgegangen.

"Damit liegt die Zahl berechtigter Behandlungsfehlervorwürfe jetzt schon seit einigen Jahren mit kontinuierlich sinkender Tendenz unter dem langjährigen Durchschnitt", heißt es im Tätigkeitsbericht 2015 der GAK. Der langjährige Durchschnitt beträgt 31,79 Prozent.

In Nordrhein prüfen die Gutachter auch dann die Anträge von Patienten, wenn die betroffenen Ärzte die Mitwirkung an dem Verfahren verweigern, was meist auf Weisung der Haftpflichtversicherer geschieht. Im Berichtszeitraum betrug der Anteil der Ärzte, die eine Teilnahme ablehnten, 6,9 Prozent.

"In anderen Regionen sind es deutlich mehr", berichtete Laum. In fast 60 Prozent der Fälle wurde das Verfahren auf Verlangen der Patienten ohne die ärztliche Beteiligung fortgesetzt.

Die Begutachtung stützte sich dann auf die Kopien von Behandlungsunterlagen. "Das ist eine im Bundesgebiet einmalige Möglichkeit", betonte er.

Sinkende Zahl neuer Anträge

Von Oktober 2014 bis September 2015 waren insgesamt 2141 Begutachtungsanträge bei der GAK eingegangen. Das waren weniger als die 2210 ein Jahr zuvor.

"Das ist seit Langem nicht mehr vorgekommen", so der Jurist. Der Rückgang liege mit 3,1 Prozent aber noch innerhalb der normalen Schwankungsbreite.

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