Gastbeitrag

MVZ-Gründung: Halbe Arztstellen reichen

In einem bislang kaum beachteten Nebensatz hat das Bundessozialgericht MVZ für Ärzte attraktiver und flexibler gemacht. Denn nach Meinung der Richter kann ein MVZ bereits mit zwei halben Arztstellen betrieben werden.

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Auch das ist künftig möglich: Zwei Ärzte, die ein MVZ mit zwei halben Arztstellen neu gründen.

Auch das ist künftig möglich: Zwei Ärzte, die ein MVZ mit zwei halben Arztstellen neu gründen.

© Klaro

BONN. Nachdem Medizinische Versorgungszentren (MVZ) seit 2004 existieren, waren in den letzten Jahren nur noch wenige mit der Zulassung und dem Betrieb eines MVZ zusammenhängenden Rechtsfragen streitig.

Der wohl bedeutsamste Streit betraf die Frage, ob MVZ für die sogenannte fachübergreifende Gründereigenschaft stets mindestens zwei vollzeitig besetzte Arztstellen benötigen, oder ob auch eine halbe Arztstelle neben einer vollen oder gar zwei halbe Arztstellen unterschiedlicher Disziplinen genügen.

Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 19.10.2011 (Az.: B 6 KA 23/11 R) mit einem bisher kaum beachteten Nebensatz geklärt.

Das BSG stellt in dieser Entscheidung klar, dass der Erhalt des fachübergreifenden Charakters eines MVZ voraussetzt, dass für jedes der Fachgebiete mindestens eine halbe Arztstelle zur Verfügung steht.

Dies ergebe sich daraus, dass das Vertragsarztrecht nur zeitlich volle und hälftige Versorgungsaufträge kenne, das Vorhandensein solcher fachverschiedener Versorgungsaufträge aber eben auch genüge.

Mit einer vollen Arztstelle und einer weiteren Viertel-Arztstelle kann man somit kein MVZ gründen und betreiben, eine volle Arztstelle und eine halbe Arztstelle oder auch zwei halbe Arztstellen genügen jedoch.

Zulassungsstellen müssen ihre Praxis ändern

Die Verwaltungspraxis der meisten Zulassungsausschüsse und die Rechtsauffassung vieler Kassenärztlicher Vereinigungen wird sich nach diesem Urteil ändern müssen.

Zwar hatte die KBV bereits 2007 die Auffassung vertreten, dass ein MVZ, welches zunächst mit zwei vollen Arztstellen gegründet wird, danach aber eine Arztstelle auf einen hälftigen Tätigkeitsumfang reduziert, weiterbetrieben werden kann.

Viele Zulassungsgremien vertraten demgegenüber die Auffassung, ein MVZ müsse über zwei volle Arztstellen verfügen, sonst sei ihm die Zulassung zu entziehen. Diese Auffassung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr haltbar.

Das Urteil hat auch Auswirkungen auf die Frage der erstmaligen Gründung eines MVZ. Wenn - wie das BSG formuliert - es für den Erhalt des fachübergreifenden Charakters eines MVZ ausreicht, dass für jedes der Fachgebiete mindestens eine halbe Arztstelle zur Verfügung steht, so muss dies auch für den erstmaligen Nachweis der fachübergreifenden Tätigkeit, also für die Gründung, genügen.

Es wäre schlechterdings nicht erklärlich, weshalb ein MVZ erst mit zwei vollen Arztstellen gegründet werden müsste, es dann aber nach einer Anzeige der Reduktion der Arbeitszeit der Ärzte auf den hälftigen Umfang ohne Weiteres fortgeführt werden kann.

Auch die Gründung mit zwei halben Arztstellen lehnen viele Zulassungsgremien überwiegend noch ab, angesichts des Urteils des BSG wird sich aber auch diese restriktive Meinung zukünftig ändern müssen.

MVZ bleiben attraktiv

Diese neuen Möglichkeiten haben Bedeutung für unternehmerisch tätige Ärzte. Die Investitions- und Gehaltskosten sind bei einer halben Arztstelle nämlich in der Regel niedriger als bei einer vollen Arztstelle.

Schließlich ist zu beachten, dass seit Anfang 2012 die Arztstellen zur Beschäftigung von Angestellten im MVZ wieder in freiberufliche Zulassungen umgewandelt werden können.

Wenn also das MVZ nicht floriert oder man eine Arztstelle im MVZ nicht mehr benötigt, so kann auf Antrag des MVZ entweder die Arztstelle zur Nachbesetzung durch einen Freiberufler ausgeschrieben werden oder aber der bisher angestellte Arzt, wenn er in vollem oder hälftigem Umfang tätig war, die Arztstelle als Zulassung übernehmen.

Diese sogenannte Rückumwandlung wurde inzwischen von den ersten Zulassungsausschüssen genehmigt. Der sich bewerbende Arzt oder aber der in die Freiberuflichkeit wechselnde Angestellte wird häufig bereit sein, für die Übernahme von Geräten oder für die Übernahme des Patientenstamms einen Kaufpreis zu zahlen.

Nach der jüngsten Rechtsprechung und den Änderungen durch das Versorgungsstrukturgesetz bleibt das MVZ eine attraktive und flexible Versorgungsstruktur - auch für Ärzte.

Zur Person: Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht und Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kooperationsform mit Alternativen

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