Ambulante Versorgung

MVZ-Schließung sorgt für Diskussion in Oberbayern

Die kurzfristige Schließung eines Hausarzt-MVZ in Bayern wirft Fragen auf. Insbesondere: Entsprechen MVZ den Bedürfnissen von Ärzten und Patienten?

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
MVZ erfüllen nicht immer alle Patientenwünsche.

MVZ erfüllen nicht immer alle Patientenwünsche.

© Andy Dean/iStock/Thinkstock

PETERSHAUSEN. In der Region war die Nachricht ein echter Paukenschlag. Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Standorten in Hohenkammer, Peters- und Reichertshausen in Oberbayern, nördlich von München, verkündete im Dezember kurzfristig das Aus.

Das MVZ gehört der consensus med GmbH von Dr. Friedrich und Mechthild Trißler. Deren Hauptstandort ist Sugenheim in Mittelfranken, wo Trißler selbst niedergelassen ist. Dorthin soll sich nun auch die MVZ-Tätigkeit verlagern.

Die Verträge der Mitarbeiter in Oberbayern sind dem Vernehmen nach bereits ausgelaufen. Das MVZ muss aber laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB) noch bis Ende des Folgequartals laufen. Diese Frist bei Rückgabe einer Zulassung soll die Versorgung sichern.

Intensive Suche nach Nachfolgern

Laut Mitteilung auf der consensus med Webseite gibt es zur Zeit "aufgrund erkrankungsbedingter Personalengpässe" nur noch eine Vormittagssprechstunde in Petershausen. Man befinde sich "in intensiven Gesprächen mit den regionalen Allgemeinarztpraxen, um eine reibungslose Weiterführung Ihrer medizinischen Versorgung vor Ort auch in der Zukunft zu gewährleisten". Für eine direkte Stellungnahme war Trißler bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Die Kommunen suchen in Abstimmung mit der KVB neue Ärzte. "Die Arztsitze müssen jetzt offiziell ausgeschrieben werden", sagte KVB-Pressesprecherin Birgit Grain der "Ärzte Zeitung". Dafür könnten sich auch die Ärzte aus dem MVZ bewerben.

"Wenn sie die Voraussetzungen für einen KV-Sitz erfüllen, könnten sie dann eine eigene Praxis gründen." Vor dem Kauf durch consensus med gab es für die Sitze zunächst keine Nachfolger. Fielen sie weg, drohe zwar nach KVB-Bedarfsplanung keine Unterversorgung, so Grain. Vor Ort empfänden Patienten das aber oft anders.

Besonders dürfte das für Hohenkammer gelten. Dort gab es eine Filiale der Petershausener Praxis. Jetzt haben die 2600 Einwohner gar keinen Arzt mehr vor Ort. Mit der MVZ-Filiale lief es gemischt. Die Öffnungszeiten, einige Stunden an drei Wochentagen, nennt Bürgermeister Johann Stegmair "so ausgedünnt, dass sie schwer anzunehmen waren". Ein Arztsitz samt Arzt wäre ihm lieber, er nähme aber auch wieder eine Filiale in Kauf. "Wir sind über jede Lösung froh", so Stegmair.

Anders äußert sich der Reichertshausener Bürgermeister Reinhard Heinrich in einer Stellungnahme auf der kommunalen Webseite. Er beschreibt das MVZ darin als zuerst willkommenes, dann aber misslungenes Vorhaben. Es habe viel Fluktuation gegeben, das habe Patienten verunsichert. Nun soll ein neuer niedergelassener Arzt tätig werden, die Gemeinde hat offenbar bereits eine konkrete Person im Auge, die am 1. April starten soll.

Förderung von 200.000 Euro

Von 2012 bis 2015 förderte das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) das MVZ als innovatives Modellvorhaben mit 200.000 Euro. Das sahen 70 Ärzte aus der Region als Wettbewerbsverzerrung und protestierten per Brief an Gesundheitsministerin Huml und Ministerpräsident Seehofer.

Auf Anfrage ließ nun eine Sprecherin des StMGP mitteilen, das Modellprojekt werde derzeit ausgewertet. "Dabei werden wir auch die Gründe für die Schließung mit einbeziehen, falls diese strukturelle Ursachen hat. Dem Vernehmen nach handelt es sich aber um eine unternehmerische Entscheidung des Gesellschafters von consensus med, der seine Aktivitäten auf Franken konzentrieren möchte."

Dr. Malte Hinzpeter, der eine Zeit lang selbst für consensus med arbeitete, sieht die räumliche Streuung als schwierig. "Es ist etwas anderes, wenn jemand ein MVZ aufmacht und selbst vor Ort ist." Das sei bei dem MVZ-Eigner kaum je der Fall gewesen.

Zudem habe sich dessen Konzept in Oberbayern offenbar nicht wirtschaftlich anwenden lassen. Auch sei die Kommunikation zwischen Leitung und Ärzten nicht einfach gewesen. Hinzpeter sah die MVZ-Anstellung schon immer als vorübergehend. Er hat heute eine eigene Praxis.

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Dr. Dieter Geis, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands. "Die Freiberuflichkeit ist und bleibt für uns der Goldstandard", so Geis auf Anfrage. Dennoch erwarteten gerade "junge Medizinerinnen und Mediziner, die vor der Herausforderung stehen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, dass sie je nach Lebenssituation selbst entscheiden können, ob und über welchem Zeitraum sie allein oder in einer Gemeinschaft freiberuflich oder als angestellte Ärzte in Vollzeit oder in Teilzeit arbeiten". Hausarzt-MVZ seien deshalb "ein wichtiges Instrument, um jungen Ärztinnen und Ärzten gerade auf dem Land dieses breite Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: MVZ als Zwischenschritt

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