Berlin

MVZ setzt Maßstäbe in der pädiatrischen Versorgung

An der fachärztlichen Versorgung psychisch belasteter Kinder gibt es immer wieder Kritik. Der Berliner Klinikbetreiber Vivantes hat ein Kooperationsmodell aufgebaut, das pädiatrische Generalisten und Spezialisten zusammenführt.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Interdisziplinäre pädiatrische Komplettversorgung: Die Anmeldung des MVZ Prenzlauer Berg. Betreiber ist das Berliner Klinikunternehmen Vivantes.

Interdisziplinäre pädiatrische Komplettversorgung: Die Anmeldung des MVZ Prenzlauer Berg. Betreiber ist das Berliner Klinikunternehmen Vivantes.

© Vivantes

BERLIN. Im Gesundheitszentrum für Kinder und Jugendliche im Prenzlauer Berg sind allgemeine Kinderheilkunde, Kinderchirurgie, -urologie, -gastroenterologie, -psychotherapie und -psychiatrie direkte Nachbarn. Das Beispiel zeigt zugleich, wie Krankenhäuser frei werdende Räume für ambulante Angebote nutzen können.

Es fällt kaum auf: Über Untersuchungsliege und Schreibtisch zieht sich eine Beleuchtungsleiste an der Wand des Behandlungszimmers entlang, wie sie sonst in Krankenzimmern über den Betten hängt.

Im großen Wartezimmer mit bunten Kinderstühlen und fröhlichen Wandbildern sind drei Spinte in die Wand eingelassen.

Das Gesundheitszentrum für Kinder und Jugendliche des Vivantes MVZ Prenzlauer Berg hat einen ehemaligen Bettentrakt des Klinikums Prenzlauer Berg bezogen. Der Empfangsraum ist in der früheren Stationsleitungswarte untergebracht.

Das größte kommunale Klinikunternehmen Deutschlands will den Standort Prenzlauer Berg für die stationäre Versorgung schließen. Dafür werden dort derzeit diverse ambulante Angebote ausgebaut.

Eines davon ist das Kindergesundheitszentrum, mit dem die Vivantes-MVZ-Tochter die Versorgung in der Hauptstadt bedarfsgerecht mitgestalten will. Der Bezirk Prenzlauer Berg zählt zu den Regionen mit den höchsten Geburtenraten in Berlin.

Halbstündige Anamnese nicht ungewöhnlich

Junge Eltern haben dort jetzt schon häufig Schwierigkeiten, einen Kinderarzt zu finden, der ihre Sprösslinge betreut. Weil die Nachfrage so groß ist, hat das im November 2012 gegründete Kindergesundheitszentrum der Vivantes MVZ GmbH jetzt auch die allgemeine Kinder- und Jugendmedizin mit Vorsorgeuntersuchungen in sein Spektrum mit aufgenommen.

Doch der eigentliche Schwerpunkt liegt auf dem besonderen Versorgungsbedarf von Kindern und Jugendlichen mit gastroenterologischen, psychosomatischen und urologischen Beschwerden. Viele der kleinen Patienten klagen über Bauch- und/oder Kopfschmerzen, oder sie nässen altersuntypisch ein. Ihre Beschwerden werden am Vivantes MVZ interdisziplinär abgeklärt.

Der Geschäftsführer der Vivantes MVZ GmbH, Dr. Axel Rösler, berichtet stolz: "Hier werden einige Gesundheitssystemkarrieren wirklich beendet. Die Kinder waren oft schon bei unzähligen Ärzten, bevor sie hierher kommen."

Die Kinderärzte müssen sich nach Röslers Angaben oft durch dicke Patientenakten über die Vorgeschichten informieren. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass eine Anamnese eine halbe Stunde dauere.

Der Ärztliche Leiter des MVZ, Professor Bernd Tillig ist Kinderchirurg und -urologe zugleich. Er wird unterstützt von zwei weiteren Kinderchirurgen, zwei Kinderärztinnen, von denen eine auch Kindergastroenterologin ist, zwei Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie.

Ärzte arbeiten Teilzeit in Klinik weiter

Die meisten Ärzte und Psychotherapeuten sind in Teilzeit am MVZ tätig. Man setze bewusst auf Ärzte, die gleichzeitig auch stationär bei Vivantes arbeiten, um im Falle erforderlicher Klinikeinweisungen die Kinder weiter betreuen zu können, heißt es.

Außerdem bietet das den Ärzten Gelegenheit, jenseits der ambulanten Praxis auch im stationären Bereich weiterhin zu operieren. "Wenn wir als Krankenhaus-MVZ den Ruf hätten, dass hier schnell mal geschnitten wird, wären wir komplett unglaubwürdig", sagt Rösler.

Für ambulante Operationen, die einmal pro Woche stattfinden, greift das MVZ auf die benachbarten Operationssäle des Klinikums zurück. Doch die meisten der kleinen Patienten nehmen eher den Weg in die andere Richtung des alten Klinikflures, der jetzt mit bunten Kinderbildern dekoriert ist.

"Wenn geklärt ist, dass die Beschwerden keine somatische Ursache haben, bieten wir eine psychotherapeutische Behandlung an", so Rösler.

Depressionen, Angst- oder Persönlichkeitsentwicklungsstörungen sind die Diagnosen, die Psychiater Stefan Willma am häufigsten stellt. Dabei sieht er Kinder und Jugendliche von fünf bis 21 Jahren. "Wir versuchen, es nicht zu einer stationären Behandlung kommen zu lassen."

Vor seiner Tätigkeit am MVZ war er als leitender Oberarzt bei Vivantes beschäftigt. Jetzt schätzt er seine neuen Freiräume im MVZ. "Therapie braucht Zeit, die kriegen wir hier zur Verfügung gestellt". Auch fachlich ist die neue Tätigkeit für ihn interessant. Denn das Zentrum nimmt auch an der sozialpsychiatrischen Versorgung teil. Dafür wird ab Oktober eine dritte Psychologin tätig.

50 Prozent Fallzahlzuwachs

Und die Finanzen? "Anfangs war das Zentrum sehr defizitär", räumt Geschäftsführer Rösler ein. Auch heute noch sei es kein lohnenswertes Geschäftsmodell.

Doch es trifft auf einen wachsenden Bedarf. Rösler: "Wir fühlen uns als staatlicher Versorger aufgefordert, diese Lücke zu schließen."

Die Fallzahlen geben ihm Recht. Sie stiegen von Anfang 2013 innerhalb eines Jahres um mehr als 50 Prozent.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

© Olia / Generated with AI / stock.adobe.com

Neurologische Entwicklungsstörung

Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Acadia Pharmaceuticals (Germany) GmbH, München
Abb. 1: Phenylketonurie – Phenylalanin-Zielwerte und Monitoring während der Lebensphasen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2, 3]

Enzymersatztherapie der Phenylketonurie

Pegvaliase: anhaltendes Ansprechen, flexiblere Ernährung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: BioMarin Deutschland GmbH, Kronberg am Taunus
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?