Europäischer Erfinderpreis 2018

MedTech-Revolutionäre geehrt

Der Mann, der dem MRT Beine machte, und die Frau, die Defibrillatoren zu einem längeren Leben verhalf, sind Laureaten des diesjährigen Europäischen Erfinderpreises.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Der geehrte Jens Frahm: Mit seiner 1985 ausgereiften Technik gab der deutsche Biophysiker den Startschuss für eine schnellere MRT.

Der geehrte Jens Frahm: Mit seiner 1985 ausgereiften Technik gab der deutsche Biophysiker den Startschuss für eine schnellere MRT.

© EPA

PARIS. Am Donnerstag hat das Europäische Patentamt (EPA) in Paris sieben Innovatoren mit dem diesjährigen Europäischen Erfinderpreis geehrt. Zwei der Laureaten, Jens Frahm und Esther Sans Takeuchi, brachten bahnbrechende Lösungen für die medizinische Versorgung hervor.

"Der Erfindungsreichtum und die Kreativität der diesjährigen Träger des Europäischen Erfinderpreises unterstreichen Europas Attraktivität als Technologie-Spitzenregion für Wissenschaftler und Erfinder aus der ganzen Welt", erläuterte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Preisverleihung in der französischen Kapitale.

"Durch ihre Leistungen haben all diese Persönlichkeiten eine Reihe von Branchen geprägt und Möglichkeiten eröffnet, die zuvor nicht vorstellbar waren", ergänzte er.

"Fast Low Angle Shot" (FLASH) – mit seiner 1985 ausgereiften Technik gab der deutsche Biophysiker Jens Frahm den Startschuss für eine schnellere Magnetresonanztomografie (MRT), eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Verfahren in der medizinischen Diagnostik.

FLASH beschleunigte die Erzeugung von MRT-Bildern um den Faktor 100, so das EPA. Damit habe die Aufnahmezeit von einem halben Tag auf wenige Minuten reduziert werden können, sei das Verfahren schnell zum klinischen Standard geworden.

Grundlage aller MRT-Lösungen

Was die Geschwindigkeit in den frühen 1980er-Jahren so drastisch erhöhte, war ein geniales Verfahren, das Frahm am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen entwickelte: FLASH bringt laut EPA die Atome, die sich mit dem Magnetfeld ausrichten, in einen flacheren Winkel und macht es damit möglich, ultrakurze Signalimpulse in schneller Abfolge abzugeben, wodurch man schnellere Messungen erhält.

Damit könnten die MRT-Scanner sämtliche für ein dreidimensionales Bild erforderlichen Aufnahmen innerhalb von wenigen Minuten machen, zweidimensionale Aufnahmen dauern nur Sekunden.

"Die Bildgebungsmethode, die wir damals entwickelten, ist seither die Grundlage für alle medizinischen Magnetresonanzanwendungen auf der Welt", resümiert Frahm. Führende Hersteller übernahmen die patentierte Technologie innerhalb von Monaten nach ihrer Veröffentlichung, und die Anzahl im Einsatz befindlicher MRT-Geräte stieg weltweit rasant an.

Mit FLASH 2 legte der Erfinder noch einmal nach. FLASH 2 kombiniert das Prinzip der FLASH-Technik mit moderner computerbasierter Bildrekonstruktion, und erreicht auf diese Art Aufnahmegeschwindigkeiten von bis zu 100 Einzelbildern pro Sekunde.

"Damit gelingt in der MRT-Technologie der Schritt von der Fotografie zur Videografie", verdeutlicht das EPA. FLASH 2 habe bereits 50 Doktorarbeiten mit vielen neuen diagnostischen Erkenntnissen hervorgebracht, heißt es weiter.

Bevor Frahms bahnbrechende Erfindung ins Spiel kam, war die MRT als diagnostisches Verfahren noch untauglich, betont das EPA.

Als 1977 erstmals ein MRT an einem Menschen gemacht worden sei, habe es vier Stunden und 45 Minuten gedauert, um ein einziges dreidimensionales Bild zu erzeugen – viel zu lange für den medizinischen Versorgungsalltag.

Interessant ist auch die wirtschaftliche Komponente: Heute ist FLASH für die Max-Planck-Gesellschaft nach EPA-Angaben der gewinnträchtigste Wert in ihrem IP-Portfolio. Die Lizenzeinnahmen, die ihr das Patent bis heute beschert habe, gebe sie mit 150 Millionen Euro an.

Die Lizenzgebühren aus den Patenten für FLASH und FLASH 2 gingen direkt wieder in die Forschung zurück, denn sie würden zur Finanzierung einer gemeinnützigen Organisation verwendet, die 1993 ganz gezielt für Frahms Forschungsaktivitäten am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen gegründet wurde.

Millionen Herzpatienten profitieren

Millionen von Herzpatienten mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) profitieren, wie das EPA im Umfeld der Preisverleihung verlautbarte, von den wegweisenden Neuerungen in der Batterietechnologie, die von der US-amerikanischen Materialwissenschaftlerin und Chemieingenieurin Esther Sans Takeuchi entwickelt wurden.

Ihre Lithium/Silber-Vanadiumoxid-Batterien (Li/SVO-Batterien) seien der Schlüssel zu kleineren ICD mit erheblich längeren Batterielebensdauern gewesen.

Dadurch hätten die ICD nicht mehr so häufig ausgetauscht werden müssen – womit sich auch die Zahl erforderlicher chirurgischer Eingriffe drastisch reduziert habe.

Bis zu Takeuchis Erfindung seien ICD ziemlich große Geräte mit einer Batterielebensdauer von bestenfalls 12 bis 18 Monaten gewesen.

Der erste ICD wurde 1980 aufgrund seiner Größe im Bauchraum des Patienten eingesetzt, während die heutigen ICD meist unterhalb des Schlüsselbeins an derselben Stelle implantiert werden wie Herzschrittmacher.

Takeuchis Li/SVO-Batterien führten laut EPA, zusammen mit einigen Schlüsselpatenten für die Technologie, zum ersten Defibrillator, der mit einer leistungsstarken und dennoch kleinen Batterie ausgestattet war, die zudem eine wesentlich höhere Lebensdauer hatte als ihre Vorgänger.

1987 erstmals bei einem Patienten eingesetzt und vom Medizingerätehersteller Greatbatch vermarktet, sei Takeuchis patentiertes Prinzip heute die am häufigsten eingesetzte Technologie bei ICD-Batterien. Die Batterielebensdauer könne bis zu fünf Jahren betragen.

Der Europäische Erfinderpreis ehrt alljährlich Einzelpersonen und Teams, die mit ihren Erfindungen zum technologischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen haben. 2018 standen mehr als 500 Erfinder und Innovatoren-Teams für den Preis im Wettbewerb.

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