Ärzte im Nordwesten

Mehrarbeit für Millionen Euro

Die KV Niedersachsen hat berechnet, wie viele ärztliche Leistungen 2013 nicht bezahlt worden sind - und daraus die Zahl der "unbezahlten Überstunden" abgeleitet. Mit durchaus beeindruckendem Resultat.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Weit weg vom Acht-Stunden-Tag: 26,7 Prozent aller Leistungen erbrachten Niedersachsens Vertragsärzte 2013 in unbezahlten Überstunden.

Weit weg vom Acht-Stunden-Tag: 26,7 Prozent aller Leistungen erbrachten Niedersachsens Vertragsärzte 2013 in unbezahlten Überstunden.

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HANNOVER. Niedergelassene Ärzte in Niedersachsen schoben 2013 umgerechnet genau 4.265.414 Überstunden (wir berichteten kurz) und erhielten dafür kein Honorar. Das sind 26,7 Prozent aller Leistungen.

Die im vergangenen Jahr überzählig erbrachten Arztstunden allein der Fachärzte im im Land hätte den Kollegen insgesamt rund 206 Millionen Euro mehr an Honorar bringen müssen.

Bei den Hausärzten liegt dieser Betrag vergleichsweise niedrig. Sie haben drei Prozent ihrer Leistungen nicht vergütet bekommen, das sind umgerechnet Überstunden im Wert von 24 Millionen Euro. Das hat die KV Niedersachsen (KVN) jetzt ausgerechnet.

"Wir haben mit einer Arztstunde zu 54 Euro kalkuliert", erklärt Detlef Haffke, Sprecher der KV Niedersachsen. "Dieses Honorar zahlen wir zum Beispiel auch den beratenden Ärzten der KV, den Kollegen für die Sitzungen oder für Gutachtertätigkeiten."

Anhand der Abrechnungen konnte die KV die nicht bezahlten Leistungen herausrechnen. Multipliziert mit dem Zeitbedarf für die Leistungen - und dann mit dem Stundenhonorar der Ärzte - ergibt sich der Wert der "Überstunden".

Kardiologen trifft es besonders hart

Allein das nicht gezahlte Facharzthonorar "entspricht etwa 2400 zusätzlichen Kassenarztsitzen", sagt Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der KVN.

Die Forderung der Bundesregierung nach einer Termingarantie von vier Wochen bei einer Überweisung zum Facharzt sei "vor dem Hintergrund dieser Zahlen unberechtigt", so Barjenbruch. "Bei begrenzter Vergütung kann es nur begrenzte Leistungen geben. Und dies führt zwangsläufig zu längeren Wartezeiten."

Spitzenreiter bei den nicht vergüteten Leistungen unter den Fachärzten sind die Kardiologen. Sie bekommen 48 Prozent und damit fast die Hälfte ihrer Leistungen nicht bezahlt, erklärt KVN-Sprecher Haffke.

Wollte man ihren Verlust nicht in unbezahlten Überstunden oder in Euro ausdrücken, sondern in der Anzahl typischer Leistungen, also in Form von Arbeit, so käme folgendes dabei heraus: Sie hätten 2013 rund 153.000 Stressecho-Kardiographien zu 82,36 Euro umsonst machen müssen.

Auf die Kardiologen folgen die Radiologen, die 45 Prozent ihrer Leistungen nicht bezahlt bekommen. Wollte man hier den Verlust in einer Menge etwa von MRT der Wirbelsäule ausdrücken, so käme man auf 345.000 MRT zu 120,21 Euro je Untersuchung.

Nur zwei Fachgruppen ohne Verluste

Auch die Augenärzte leben teuer, bei ihnen wurden 41 Prozent ihrer Leistungen nicht bezahlt. Oder die Gastroenterologen: Ihr Verlust lässt sich in der Menge von 36.000 Magenspiegelungen zu 82,71 Euro ausdrücken. Am Ende der Skala finden sich die Anästhesisten. Ihre Arbeit wird zu 100 Prozent vergütet - ebenso wie die der Kinder- und Jugendpsychiater.

Der Vorstand der KVN bezeichnet das Regierungsvorhaben zur Regulierung des Überweisungsgeschehens angesichts dieser Zahlen als sachlich unangebracht und bürokratisch.

"In skandinavischen Ländern und England dauert es in der Regel mehrere Monate, bis Patienten bei ihrem Arzt vorgelassen werden. Zwei Drittel der Patienten erhalten in Deutschland innerhalb von drei Tagen einen Termin bei einem entsprechenden Facharzt", sagte Barjenbruch.

Die KV Niedersachsen warnt vor unnützer Bürokratisierung. Nur durch eine Abkehr von Budgetierung und von Leistungsreduzierung sei eine Verbesserung der Wartezeiten zu erreichen, heißt es.

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegen entsprechende Zahlen für das ganze Bundesgebiet vor, bestätigt Tanja Hinzmann, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der KBV, auf Anfrage der "Ärzte Zeitung". Die Daten sollen demnächst vorgestellt werden.

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