Mitarbeiter als Rettungspaket im Klinik-Überlebenskampf

Expandieren statt sparen, sparen, sparen - so lautet das Motto der Aller-Weser-Kliniken für ihren Kampf ums Überleben. Doch es fehlt an willigen Bewerbern.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Vor allem Internisten sind in der Nord-Klinik gefragt.

Vor allem Internisten sind in der Nord-Klinik gefragt.

© Stauke / fotolia.com

b>VERDEN. Die Aller-Weser-Kliniken in Verden und Achim bei Bremen kämpfen ums Überleben. Den beiden kleinen kommunalen Kliniken fehlen Ärzte, um ihr Behandlungsangebot zu verbessern und mit den großen Häusern in Bremen oder Hannover mithalten zu können.

Zugleich wachsen dem Klinikum die Lohnkosten über den Kopf. Eben erst ist die Krankenhausleitung damit gescheitert, Gehälter teilweise in Tank- und Essens-Gutscheine auszahlen zu wollen.

"Wir mussten uns entscheiden"

"Wir mussten uns entscheiden", erklärt Marianne Baehr, die seit Jahresbeginn 2011 die Geschäfte des Klinikums führt, "entweder wir sparen, sparen, sparen, oder wir setzen entschlossen auf die Expansion des Angebots."

In Achim und Verden hat man sich für die zweite Variante entschieden - und die macht Mühe. "Selbst manche Headhunter wollen keinen Vertrag mehr mit uns schließen, wenn sie hören, dass wir Internisten suchen", sagte die Geschäftsführerin Marianne Baehr zur "Ärzte Zeitung".

Auch Chirurgen und Gynäkologen braucht das Klinikum

Der Markt sei leer gefegt und die Erfolgsaussichten entsprechend gering. Auch Chirurgen und Gynäkologen braucht das Klinikum. "Wir brauchen dringend Ärzte, um das Angebot zu erweitern, etwa bei der Gefäßchirurgie, und um damit das Vertrauen der Patienten zu gewinnen."

Derzeit habe man wenigsten einen Kollegen in Aussicht, so Baehr. Außerdem plant das Klinikum in Verden ein neues Bettenhaus für mehr als 18 Millionen Euro.

So weit, so gut. Aber im vergangenen Jahr haben die beiden Häuser mit je rund 140 Betten 4,8 Millionen Euro Verlust gemacht, also rund 400.000 Euro im Monat, also mehr als 10.000 Euro am Tag. Vor allem steigende Lohnkosten machen der Klinik-Kasse zu schaffen.

Weil angestellte Ärzte fehlen, müssen teure Honorarärzte beschäftigt werden

"Wir beschäftigen rund 50 angestellte und Belegärzte", sagt Baehr, "aber weil uns Mediziner fehlen, müssen wir mit teuren Honorarärzten arbeiten." Nach Worten der Geschäftsführerin müsse die Geschäftsführung für Honorarärzte 70 bis 90 Euro pro Stunde auf den Tisch legen und damit umgerechnet rund doppelt so viel, wie für angestellte Ärzte.

Es sei vorgekommen, dass am Klinikum angestellte Ärzte gekündigt haben, um sich als Honorarärzte wieder engagieren zu lassen. Solche Kombinationen dürften Arbeitsklima und Kooperation nicht gut getan haben. Gutachter empfahlen im Mai sogar, die beiden kleinen Häuser zugunsten eines großen Krankenhaus-Neubaus im Landkreis zu schließen.

Baehr setzt auf Gehaltskürzungen

Um kurzfristig Geld zu sparen, setzt Baehr per Notlagentarifvertrag auf Gehaltskürzungen. Der Vertrag wird derzeit verhandelt. Die Idee der Geschäftsführung, Gehälter zum Teil in Gutscheinen auszuzahlen, ist beim Marburger Bund (MB) und bei Ver.di auf erheblichen Widerstand gestoßen und gescheitert.

„Wir haben formelle Bedenken“, sagt Rainer Kirchhoff, Verhandlungsleiter vom Marburger Bund, zur „Ärzte Zeitung“. „Die Regelung würde bei der Ärzteversorgung die Rentenanwartschaft mindern. Das ist für uns nicht akzeptabel.“

Einsparungen von 1,7 Millionen Euro

Nun haben sich die Parteien für den 27. Oktober zur nächsten Verhandlungsrunde verabredet, um den Notlagentarifvertrag auszuarbeiten.

Das Paket soll 1,7 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Die aus der Regelung entstehende Arbeitsverdichtung soll durch effizientere Abläufe gemeistert werden, die aber nicht auf Kosten der Patienten gehen dürfen, betont Baehr.

Neben dem Notlagentarifvertrag greift seit Anfang 2011 ein andere Teil des Rettungspaketes: Neben den Städten Achim und Verden, sowie dem Landkreis Verden ist das Diakonie-Krankenhaus Rotenburg als vierter Gesellschafter eingestiegen.

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