Dreifach-Mutter und Ärztin
"Nicht nur ein Jodeldiplom"
Dr. Jessica Eismann-Schweimler hat drei Kinder. Entsprechend lange dauert ihre Weiterbildung. Ein Einblick in ihren Alltag zwischen Erziehung und Arztausbildung.
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© Antoinette Steinmüller
Ich bin 37 Jahre alt und befinde mich rechnerisch erst im vierten Weiterbildungsjahr zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Was ist passiert? 13 Jahre Schule, sieben Jahre Studium, fünf Jahre Weiterbildung und schon könnte man doch mit 31 Jahren Facharzt sein.
In der Tat hatte ich mit 25 Jahren das Studium beendet. Nun, nachdem ich etwas Berufserfahrung gesammelt hatte, kam die Familienplanung. Da klar war, dass es eine größere Familie würde, konnte ich nicht bis nach Erlangen der Facharztreife warten. Die fruchtbaren Jahre der Frau liegen nun mal zwischen 20 und 30 Jahren und mit zunehmendem Alter der Eltern steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und Trisomien. Das ist ein Risiko, dass ich nicht eingehen wollte. Gott sei Dank habe ich dann drei gesunde Kinder bekommen.
Ich habe mich bewusst dafür entschieden, meine Kinder aufwachsen zu sehen. Ich möchte wissen, was sie bewegt, an welcher Stelle ihrer Entwicklung sie gerade stehen und wo sie vielleicht Unterstützung brauchen. Das geht nicht, wenn ich sie den ganzen Tag anderweitig betreuen lasse. Auch wenn die Betreuungsangebote in unserem Land gerade im Kleinkindbereich deutlich ausgebaut wurden und qualitativ hochwertig sind, waren sie für mich, als die Kinder ganz klein waren, keine Alternative.
Im Grundschulalter ist die Betreuungsrealität keineswegs so rosig, wie bei den unter Dreijährigen. Auch ein sechsjähriges Kind braucht noch einen Ansprechpartner, wenn es mittags nach Hause kommt.
Trotzdem war es mir wichtig, fachlich voranzukommen. Eines Tages werden die Kinder aus dem Haus sein und bis dahin sollen meine Approbation und Dissertation nicht zum Jodeldiplom (nach Loriot) degradiert sein. Ich übe meinen Beruf gerne aus. Deshalb habe ich nach einer Einarbeitungszeit auch in den dann folgenden Schwangerschaften durchweg gearbeitet und bin nach jeweils circa einem Jahr Elternzeit wieder eingestiegen, auch wenn ich noch gestillt habe.
Ich möchte nichts eintauschen
Das funktionierte nur, weil die Großmutter sich mit engagierte, denn mein Mann musste als Hauptverdiener ja für unseren Lebensunterhalt sorgen, während sich mein Arbeitspensum zunehmend reduzierte.
Aber keine Sorge. Ich bereue meine Entscheidungen nicht. Ich bin mit dem besten aller Ehemänner verheiratet und habe drei tolle Kinder, die ich nicht eintauschen möchte gegen eine Facharztanerkennung und einen mutmaßlich höheren Verdienst. Die Konsequenz meiner Entscheidung bedeutet, dass sich meine Weiterbildungszeit von fünf Jahren auf insgesamt rund 15 Jahre ausdehnt.
Nicht an Arbeitszeit festmachen
Trotzdem frage ich mich: Muss das so sein? Wäre es nicht möglich, den Facharzt etwas leichter zu erlangen? Warum machen wir bislang Wissen und Erfahrung anhand der Arbeitszeit fest? Ich hatte zum Beispiel eine 60-Prozent-Stelle in einer Klinik. Ich habe täglich gearbeitet und bin dann vor der Nachmittagsbesprechung nach Hause gegangen.
Was dort über meine Patienten entschieden wurde, habe ich am nächsten Morgen erfahren und umgesetzt. Wäre ich bis nachmittags geblieben, hätte das meine Erfahrung nicht vergrößert. Ein andermal habe ich 20 Prozent in einer Ambulanz gearbeitet. Die Patienten dort wurden nur an diesem einen Tag gesehen, an dem ich gearbeitet habe, es gab kein Follow-up. Was hätte es an meiner Erfahrung geändert, wenn ich 50 Prozent meiner Zeit dort verbracht hätte? Ich habe dort wirklich sehr viel gelernt, gerade auch, weil genug Zeit zum Nachlesen und Nacharbeiten blieb. Dennoch kann ich mir von dieser Zeit nichts anrechnen lassen. Hinzu kommt, dass die Dienste, da sie zum Teil nicht als Arbeitszeit gelten, zwar bezahlt, aber nicht angerechnet werden können, und das gilt für jedes Arbeitspensum.
Ich plädiere für eine viel genauere und individuellere Prüfung der Arbeitsumstände, bevor festgelegt wird, wie viel auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden kann. Bislang wird rein nach Aktenlage entschieden. Und nein, das ist nicht ungerecht, denn die Kollegen, die 100 Prozent arbeiten, erhalten auch 100 Prozent Gehalt und Einzahlung in die Rentenkasse.
Solch eine Prüfung durch die Kammer würde diejenigen Stellen, an denen man gut und viel lernen kann, hervorheben. Davon hätten alle etwas.
Dr. Jessica Eismann-Schweimler und Dr. Jonas Hofmann-Eifler (oben) bloggen regelmäßig für die "Ärzte Zeitung". aerztezeitung.de/junge-aerzte
Dr. Jessica Eismann-Schweimler
Alter: 37
Aktuelle Position: Weiterbildungsassistentin in einer allgemeinmedizinischen Praxis in Gottenheim (Baden-Württemberg)
Werdegang: 2005 Approbation in Freiburg; Assistenzärztin in der stereotaktischen Neurochirurgie, Uniklinik Freiburg; 2007 Promotion; Assistenzärztin in der Inneren Medizin