Zwangsmedikation

OLG urteilt zugunsten eines Häftlings

Die rechtlichen Hürden für die Zwangsbehandlung eines Gefangenen sind hoch.

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KÖLN. Die medikamentöse Zwangsbehandlung von Häftlingen bedarf einer besonderen gesetzlichen Grundlage. Das nordrhein-westfälische Untersuchungshaftvollzugsgesetz reicht für solch einen Grundrechtseingriff nicht aus. So enschied jetzt das Oberlandesgericht Hamm in einem inzwischen rechtskräftigen Beschluss.

Ein Untersuchungshäftling, gegen den wegen Totschlags verhandelt wird, wurde für vier Wochen in der psychiatrischen Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg untergebracht. Der Klinikleiter beantragte Zwangsmedikation mit Neuroleptika.

Nach Angaben des Arztes leidet der Mann an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, ist extrem verhaltensauffällig und akut fremdaggressiv. Der Mann hatte der Medikation zunächst zugestimmt, sie dann aber abgelehnt.

Das Schwurgericht Arnsberg lehnte die Zwangsmedikation ab, die Beschwerde des Klinikleiters vor dem OLG blieb erfolglos. Die medizinische Behandlung eines Untersuchungsgefangenen gegen seinen Willen sei ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen könne, entschieden die OLG-Richter.

Den Anforderungen des Verfassungsgerichts werde die entsprechende Vorschrift des nordrhein-westfälischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes nicht gerecht. Auch fehle es dort an einer Regelung zur Dokumentation der krankheitsbedingten Einwilligungsunfähigkeit.

Die Richter bemängelten, dass die Vorschrift "keine von der Justizvollzugsanstalt unabhängige ärztliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen" vorsehe. Das OLG wies die Ansicht des Anstaltsarztes zurück, dass eine Zwangsmedikation allein unter dem Gesichtspunkt einer im Einzelfall notwendigen Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden könne. (iss)

Oberlandesgericht Hamm Az.: 5 Ws 88/16

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