Opfer der Finanzkrise bangen um ihr eingesetztes Kapital

Nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers bangen Anleger um ihr Geld. Haftungsklagen sind nicht unbedingt Erfolg versprechend.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:

60 000 deutsche Anleger haben in Zertifikate der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers investiert - und müssen nun wegen deren Insolvenz um ihr Kapital bangen. Offen ist, ob Haftungsklagen wegen Falschberatung Erfolg versprechend sind.

"Viele Banken haben ihren Kunden trotz der seit über einem Jahr anhaltenden globalen Finanzkrise Zertifikate als besonders sichere Investments angedreht", sagt Volker Pietsch, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS). "Selbst auf Nachfrage wurde dabei das Risiko des Totalverlustes völlig ausgeblendet."

Dabei sind Zertifikate nichts weiter als eine besondere Form von Inhaberschuldverschreibungen und deshalb bei einer Insolvenz des Emittenten über die Einlagensicherung im Gegensatz zu Fonds, Spar- und Tagesgeldkonten nicht geschützt.

Rund 60 000 deutsche Anleger haben nach DIAS-Berechnungen bis zu 500 Millionen Euro in Lehman-Zertifikate investiert. Aufgelegt wurden die Zertifikate von den Lehman-Töchtern Lehman Brothers Bankhaus AG und Lehman Brothers Inc. Beide sind von der Insolvenz bislang nicht betroffen.

Lehman Brothers Inc. wurde von der britischen Barclays Bank übernommen. "Die Chancen stehen deshalb gut, dass Zertifikate von Lehman Brothers Inc. bei Fälligkeit bedient werden", sagt der Münchner Anlegerschutzanwalt Peter Mattil. Kunden sollten ihren Zahlungsanspruch aber bei Fälligkeit vorsorglich schriftlich geltend machen.

Über die Lehman Brothers Bankhaus AG hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot verhängt. Deshalb darf die deutsche Lehman-Tochter fällige Zertifikate derzeit nicht bedienen. "Anleger dieser Zertifikate sollten ihre Ansprüche vorsorglich bei der US-Entschädigungsbehörde Securities Investor Protection Corporation (SIPC) anmelden", rät Mattil. Information dazu gibt es im Internet unter www.sipc.org.

Darüber hinaus könnten betroffene Anleger Schadenersatzansprüche bei ihrer Bank wegen Falschberatung erheben, sagt Mattil. "Vor allem bei Zertifikaten, die Kunden trotz der Finanzkrise noch in den vergangenen Monaten angedient wurden, dürfte es zweifelhaft sein, dass die Bankberater vor der Empfehlung ihre Pflicht zur eigenständigen Nachforschung über das Produkt und den Emittenten erfüllt haben."

Bundesgerichtshof urteilte bisher sehr bankenfreundlich

Der Tübinger Anwalt Andreas Tilp warnt jedoch davor, zu große Hoffnungen auf eine solche Klage zu setzen. Denn in der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in derartigen Fragen meist sehr bankenfreundlich entschieden. So urteilte der BGH 2006 (Az.: XI ZR 63/05), dass Banken hinsichtlich der von ihnen empfohlenen Wertpapiere "keine fortdauernden Überwachungs- und Beratungspflichten" hätten.

Allerdings biete ein anderes BGH-Urteil (Az.: XI ZR 56/05) aus dem selben Jahr möglicherweise einen Ansatzpunkt für eine Erfolg versprechende Schadenersatzklage, sagt Tilp. Danach sind Banken verpflichtet, Anleger auf ihnen zufließende Provisionszahlungen von Emittenten aufmerksam zu machen. Tilp: "Nach der höchstrichterlichen Entscheidung müssen Banken diese Vertriebsprovisionen offen legen, damit Anleger entscheiden können, ob ihnen die Finanzprodukte aus sach- und personengerechtem Interesse oder aus reinem Provisionsinteresse angeboten werden."

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