Tele-Reha

Pflege nach Schlaganfall: Kann Telemedizin die Reha in der Klinik ersetzen?

Um Schlaganfall-Reha-zu-Hause zu ermöglichen, werden die Echtzeit-Elektroenzephalographie und die transkranielle Elektrostimulation zum ersten Mal weltweit im häuslichen Umfeld eingesetzt.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Bei der in Ilmenau entwickelten Methode werden die Hirnströme in Echtzeit gemessen und analysiert und von den gewonnenen Daten Parameter für eine elektrische Stimulation des Gehirns abgeleitet

Bei der in Ilmenau entwickelten Methode werden die Hirnströme in Echtzeit gemessen und analysiert und von den gewonnenen Daten Parameter für eine elektrische Stimulation des Gehirns abgeleitet

© Michael Reichel / arifoto.de

Ilmenau. Motorische Funktionsstörungen nach erworbenen Hirnschäden wie Schlaganfall sind in Europa ein Hauptgrund für permanenten Pflegebedarf und Verringerung der Lebensqualität. Durch Physiotherapie und Ergotherapie könnte der Pflegebedarf verringert und die Lebensqualität verbessert werden.

Gegenwärtig können beide Therapieformen oft nicht in ausreichender Weise umgesetzt werden. Häufig werden Therapien mit Ende der stationären Behandlung nicht adäquat weitergeführt und Konzepte für ein selbstständiges Training der Patienten sind noch nicht ausreichend etabliert.

In dem großen internationalen Forschungsprojekt TeleRehaBrain („Individualisierte Rehabilitationstechniken für Patienten mit erworbenen Hirnschäden mittels Telemedizin“) entwickelt die Technische Universität Ilmenau daher nun eine telemedizinische Lösung, mit der Insult-Patienten die Rehabilitation bei sich zu Hause durchführen können.

Dadurch wären Personen, die durch einen Hirnschaden motorische Funktionsstörungen erlitten haben, nicht mehr gezwungen, für die Reha-Maßnahmen ins Krankenhaus zu gehen. Das Projekt mit einer Laufzeit von zwei Jahren wird vom Bundesforschungsministerium mit knapp 120.000 Euro gefördert.

An dem TeleRehaBrain-Projekt sind unter der Führung der TU Ilmenau das Universitätsklinikum Jena sowie Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus der Gesundheitsbranche aus Litauen, Polen, Serbien, der Ukraine und Ungarn beteiligt.

Proof-of-Principle-Lösung angestrebt

TeleRehaBrain soll nach TU-Angaben vom Freitag eine Proof-of-Principle-Lösung unter Einsatz von Telemedizin entwickeln, mit der Betroffene auf sie persönlich zugeschnittene intensive motorische Reha-Maßnahmen in ihrem häuslichen Umfeld nutzen können.

Diese Lösung würde die Machbarkeit einer solchen Behandlung demonstrieren und so die Entwicklung von Telemedizin-Methoden zur Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten fördern. Die in der Klinik begonnene Behandlung könnte fortgeführt werden, was einen nachhaltigen Therapieerfolg und eine deutliche Steigerung der Lebensqualität der Patienten zur Folge hätte.

Der Leiter des TeleRehaBrain-Projekts, Professor Jens Haueisen, Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Ilmenau, sieht in einer solchen digitalen Plattform große Chancen: „Wenn wir ihnen die Reha sozusagen nach Hause bringen, sind Schlaganfall-Patienten wesentlich flexibler: nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Und durch die personalisierte und differenzierte Therapie auch viel motivierter, sich anzustrengen.“

Premiere für trockene EEG-Elektroden

Um die Schlaganfall-Reha-zu-Hause zu ermöglichen, werden laut TU zwei medizinische Methoden zum ersten Mal weltweit im häuslichen Umfeld eingesetzt: die Echtzeit-Elektroenzephalographie und die transkranielle Elektrostimulation.

Dabei werden die Hirnströme in Echtzeit gemessen und analysiert und von den gewonnenen Daten Parameter für eine elektrische Stimulation des Gehirns abgeleitet. Bei der darauf aufbauenden transkraniellen Elektrostimulation werden dann schwache Ströme über an der Kopfhaut angebrachte Elektroden abgegeben, um nach einem Schlaganfall die Umorganisation der Gehirnaktivität zu verbessern.

Dabei werden trockene EEG-Elektroden für Insult-Patienten erstmals im häuslichen Umfeld eingesetzt. Auf dem Gebiet der trockenen EEG-Elektroden, die ohne die sonst übliche Elektrodenpaste funktionieren, ist die TU Ilmenau nach eigenen Angaben weltweit führend. So gehöre es zu den Kernkompetenzen der biomedizinischen Techniker um Haueisen, die EEG-Signale des Gehirns korrekt zuzuordnen.

Ist das Forschungsprojekt erfolgreich, strebt die TU Ilmenau an, anschließend mit ihren Partnern ein Netzwerk auf EU-Ebene aufzubauen, das Pioniercharakter bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten im ländlichen Raum besitzt.

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