Das Problem Eigentor

Schlechte Kodierung bedroht das Honorar

Derzeit holt ein Thema die Ärzte ein, das sie schon überwunden glaubten: die genaue Verschlüsselung der Diagnosen. Denn sie sind alles andere als vom Tisch - und haben spürbare Auswirkungen auf das Honorar.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Über die Verschlüsselung der Diagnosen haben die Ärzte Honorarsteigerungen zumindest teilweise selbst in der Hand.

Über die Verschlüsselung der Diagnosen haben die Ärzte Honorarsteigerungen zumindest teilweise selbst in der Hand.

© [M] AZ | Miqul / fotolia.com

Vor gut einem Jahr wurde klar, dass mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz die ambulanten Kodierrichtlinien endgültig vom Tisch sind. In den Augen vieler Ärzte war das ein Erfolg gegen die wachsende Bürokratie in den Praxen.

In manchen Kassenärztlichen Vereinigungen wurde dennoch weiterhin an die Mitglieder appelliert, die Diagnosen möglichst genau zu kodieren - was vielerorts daraufhin nicht unbedingt auf großen Widerhall stieß.

Doch die Appelle halten an, wie unlängst in Nordrhein zu hören war. Der Grund dafür ist klar, seitdem der Bewertungsausschuss, wie gesetzlich vorgesehen, Ende Oktober seine "Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur" abgegeben hat.

Die empfohlene Veränderungsrate basiert auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen, wie in dem Beschluss des Ausschusses vom 22. Oktober steht.

Erhebliche regionale Unterschiede

Darin zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den Regionen bei der Entwicklung der Morbidität teilweise erheblich sind. So liegt die empfohlene Veränderungsrate für die Morbidität in Bayern bei 0,1 Prozent, in Sachsen-Anhalt sind es dagegen fast 2,7 Prozent.

Entwicklung der Morbidität in KVen

Region in %
KV Bayerns 0,1061
KV Berlin 0,5805
KV Bremen 0,6423
KV Westfalen-Lippe 0,6544
KV Saarland 0,6601
KV Rheinland-Pfalz 0,6870
KV Hessen 0,7976
KV Baden-Württemberg 1,0503
KV Nordrhein 1,1924
KV Schleswig-Holstein 1,4941
KV Hamburg 1,5318
KV Mecklenburg-
Vorpommern
1,6361
KV Niedersachsen 1,6673
KV Sachsen 1,7522
KV Brandenburg 1,8024
KV Thüringen 1,8135
KV Sachsen-Anhalt 2,6931
Quelle: KBV, Tabelle: Ärzte Zeitung

Generell sind die Veränderungsraten in den neuen Bundesländern eher höher, in den alten Bundesländern eher niedriger ausgefallen.

Die Morbidität in den östlichen Bundesländern ist, nicht zuletzt aufgrund der Abwanderung vieler junger Versicherter in stärker prosperierende Regionen, höher als in den alten Bundesländern. Das ist unstrittig.

Dass die Unterschiede in der Entwicklung ebenso groß sind, könnte allerdings auch andere Ursachen haben als nur eine schneller steigende Morbidität der Versicherten: Es könnte zumindest auch an der Qualität der Diagnosenverschlüsselung liegen.

Denn traditionell verschlüsseln die Ärzte von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen genauer als ihre Kollegen von Schleswig-Holstein bis Bayern. Das hatte sich auch in der Diskussion um die Kodierrichtlinien gezeigt.

Die Diskussion ist nicht rein akademischer Natur. Denn die Entwicklung des Honorars hängt 2013 wieder von der Entwicklung der Morbidität ab, nachdem zuvor durch das GKV-Finanzierungsgesetz wieder eine Abkoppelung von Honorar und Morbidität beschlossen worden war.

Dass beides miteinander verknüpft wird, geschieht dabei ausdrücklich auf Wunsch der Ärzte, die eine Koppelung der ärztlichen Honorare an die Grundlohnsumme immer kritisiert haben, weil darüber nicht die Mengenentwicklung aufgrund der steigenden Morbidität berücksichtigt wird.

Ärzte lehnten "Rightcoding" ab

Genau diese Mengenentwicklung wird derzeit heftig in den Regionen zwischen Krankenkassen und KVen diskutiert. Sie soll eine Komponente der Honorarsteigerung für 2013 in Höhe von insgesamt bis zu 1,27 Milliarden Euro ausmachen.

Dabei geht es insgesamt um einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Empfehlungen des Bewertungsausschusses über die Morbiditätsveränderung fließen in diese Gespräche mit ein.

Hinzu kommen unter anderem die Veränderungsrate auf Grundlage demografischer Kriterien sowie ein möglicher nicht vorhersehbarer Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs.

Damit haben plötzlich die Ärzte, die in den vergangenen Jahren ein von Kassen eingefordertes "Rightcoding" zu Recht abgelehnt hatten, dieselben Interessen wie jene.

Denn die Kassen mit einem hohen Anteil chronisch kranker Patienten profitieren bei korrekter Kodierung von höheren Zuweisungen durch den Risikostrukturausgleich - die Ärzte haben gewichtige Argumente, wenn sie gestiegene Morbidität über die Diagnosenverschlüsselung dokumentieren.

Was tun? Eine endstellige Kodierung nach ICD-10 ist sicherlich hilfreich, so weit möglich. Vor allem jedoch ist es wichtig, dass ein verschlechterter Zustand eines Patienten auch in der Kodierung sichtbar wird.

Ein Patient mit Diabetes ohne Komplikationen macht weniger Arbeit als einer mit nachlassender Nierenfunktion oder mit diabetischem Fuß. Wenn das im Diagnosenschlüssel von vielen unterschlagen wird, dann haben die KVen in den Honorarverhandlungen schlechte Karten.

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