Andere Nationen, andere Programme

So unterschiedlich sind die Corona-Warn-Apps der anderen Länder

Bei der Entwicklung von Corona-Warn-Apps ging es um Schnelligkeit, in manchen Ländern wenig um Ethik. So kamen nationale Lösungen heraus: In Deutschland hat der Nutzer-Datenschutz Priorität, Südkorea erstellt dagegen ein komplettes Bewegungsprofil.

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Wie durchschaubar darf der Mensch durch Corona-Apps werden? Jede Nation findet ihre eigene Antwort – Südkorea zum Beispiel eine besonders gläserne.

Wie durchschaubar darf der Mensch durch Corona-Apps werden? Jede Nation findet ihre eigene Antwort – Südkorea zum Beispiel eine besonders gläserne.

© Frank Täubel / stock.adobe.com

Halle. Als Reaktion auf die Corona-Pandemie werden weltweit Apps entwickelt, mithilfe derer Infektionsketten unterbrochen werden sollen, indem Kontaktpersonen möglichst früh informiert werden. Wie die Länder bei der Entwicklung einer solchen App vorgehen, ist national unterschiedlich.

Das wurde auch am Mittwoch während eines virtuellen Podiumsgesprächs mit internationalen Experten aus Irland, Deutschland, England und Südkorea deutlich. Veranstalter war die Nationalakademie Leopoldina. Diskutiert wurden unter anderem ethische und technische Aspekte von Corona-Apps.

Judith Simon, Professorin für Ethik in der Informationstechnologie an der Universität Hamburg und Mitglied im Deutschen Ethikrat, betonte, bei der Entwicklung der deutschen Corona-Warn-App hätten Datenschutz und Sicherheit die Diskussionen um die Entwicklung dominiert. Wichtig sei gewesen, möglichst wenig Daten zu sammeln.

National statt international

Jetzt, da die deutsche Warn-App seit einem Monat zum Download bereitsteht, müsste man sich mit ethischen Fragen auseinandersetzen. Ein Aspekt sei – neben der bekannten Kinderkrankheiten der App –, dass die App nicht für alle zugänglich ist. Personen ohne Smartphone, aber auch Menschen mit Smartphones, deren Betriebssystem die App nicht unterstützt, seien ausgeschlossen. Zudem gebe es noch sprachliche Barrieren.

Ein Problem, das besonders in der Reisezeit zur Geltung kommt, ist, dass bei der Entwicklung der Apps auf nationale Lösungen gesetzt wurde, was unter anderem dem geschuldet war, dass möglichst schnell nach einer Lösung gesucht wurde. Wie unterschiedlich die Systeme sind, zeigte sich am Beispiel Südkorea, das Myongsei Sohn erläuterte. Sohn ist Professor für öffentliche Gesundheit und geschäftsführender Direktor des Institute for Global Engagement & Empowerment an der Yonsei Universität in Seoul.

Die südkoreanische Tracking-App erstellt laut Sohn ein komplettes Bewegungsprofil der App-Nutzer anhand von GPS-Informationen von Mobilfunknetzen und Bankkarten. Diese Daten würden dann abgeglichen mit Bildern aus Überwachungskameras, die in Südkorea weit verbreitet sind. So lassen sich die exakten Aufenthaltsorte bestimmen und Kontaktpersonen ausfindig machen. Die Datensammlung ermögliche außerdem, die Einhaltung der Quarantäne besser zu kontrollieren.

Eine internationale Kooperation und Kompatibilität der Apps sei nach Ansicht der Experten zwar wünschenswert, derzeit aber noch ein Wunschtraum, der so schnell nicht in Erfüllung gehen könnte. Dazu seien die Interessen zu unterschiedlich.

Kritisch: Die Rolle der Wirtschaft

Kritisch diskutiert wurde unter anderem die Rolle der Großkonzerne Google und Apple bei der Entwicklung der Apps. Deren Zusage, ihre Schnittstelle zum Contact-Tracing nicht für Modelle mit zentralen Speicheransätzen zu öffnen, hat immerhin in Deutschland zu einer Kehrtwende der Bundesregierung geführt. Diese hatte zuvor den Ansatz einer zentralen Datenspeicherung bei der Entwicklung der Corona-Warn-App verfolgt. „Die Unternehmen haben eine signifikante Rolle für die öffentliche Gesundheit“, betont Douglas Leith, Professor für Computersysteme am Trinity College Dublin. Es fehle an einer öffentlichen Diskussion darüber. Stattdessen würde vorausgesetzt, dass die Bevölkerung blind in die Arbeit der Konzerne vertrauen muss. (mu)

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