Geriatrie-Ziffern

Was kann delegiert werden?

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Die Delegierbarkeit von Leistungen im EBM ist für Ärzte teils nicht eindeutig definiert. Auch die Erbringung des geriatrischen Basisassessments lässt sich unterschiedlich auslegen.

Die Delegierbarkeit von Leistungen im EBM ist für Ärzte teils nicht eindeutig definiert. Auch die Erbringung des geriatrischen Basisassessments lässt sich unterschiedlich auslegen.

© giorgiomtb/fotolia.com

EBM kontrovers: Kann das hausärztlich-geriatrische Basisassessment (EBM 03360) an die MFA delegiert werden oder nicht? Diese Frage entzweit die EBM-Fachleute. Ein Pro und Contra.

Von Marco Hübner

NEU-ISENBURG. Das selbst gesteckte Ziel der Selbstverwaltung, die geriatrische Versorgung zu stärken, scheint mit den neuen Geriatrie-Leistungen im EBM erreicht.

Das neue geriatrische Basisassessment nach GO-Nr. 03360 wurde im 4. Quartal 2013 etwa 13 Mal häufiger (in Zahlen: 2.350.233) angesetzt als die alte GO-Nr. 03240 (187.182) ein Jahr zuvor, zeigt die Abrechnungsstatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Abseits der Statistik gibt es allerdings Zweifel unter den Ärzten an der Eindeutigkeit der Formulierungen zu den novellierten Ziffern im EBM: Seit der Änderung der Leistungslegende des hausärztlich-geriatrischen Basisassessments 2013 reißen die Diskussionen zur Delegierbarkeit dieser Leistung nicht ab.

Mit der Einführung des neuen Hausarzt-EBM im Oktober 2013 wurde die alte Geriatrie-Leistungsposition nach GO-Nr. 03240 gestrichen. Deren Leistungsinhalt wurde angepasst und das Basisassessment nach GO-Nr. 03360 geschaffen.

Abrechnungsvoraussetzungen geändert

Geändert wurden auch die Abrechnungsvoraussetzungen: Alter über 70 Jahre und Vorliegen einer geriatrietypischen Erkrankung beziehungsweise bei Versicherten unter 70 bei Demenz, Alzheimer und Parkinson (Diagnosen F00-F02, G30, G20.1 oder G20.2).

Für die Frage, ob nun das geriatrische Basisassessment von einem Arzt durchgeführt werden muss oder ob es an die Medizinische Fachangestellte (MFA) delegiert werden kann, müssen die obligaten Leistungsinhalte der Ziffer im EBM untersucht werden. Zu unterscheiden sind drei definierte Aufgabenkomplexe:

1. Erhebung und/oder Monitoring organbezogener und übergreifender motorischer, emotioneller und kognitiver Funktionseinschränkungen.

2. Beurteilung der Selbstversorgungsfähigkeiten mittels standardisierter, wissenschaftlich validierter Testverfahren (z. B. Barthel-Index, PGBA, IADL nach Lawton/Brody, geriatrisches Screening nach LACHS).

3. Beurteilung der Mobilität und Sturzgefahr durch standardisierte Testverfahren (z. B. Timed "up & go", Tandem-Stand, Esslinger Sturzrisikoassessment).

Es gibt Argumente dafür - und dagegen

Was davon ist delegierbar? Nach einer gemeinsamen Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK) bedeutet "persönliche Leistungserbringung" tatsächlich nicht zwingend, dass der Arzt jede Leistung höchstpersönlich erbringen muss.

Bei Punkt zwei und Punkt drei des obligaten Leistungsinhaltes von EBM-Nr. 03360 gibt es Konsens unter Experten, dass die Aufgaben delegiert werden können. Kopfzerbrechen hingegen bereitet der erste Punkt.

Auch die Abrechnungsexperten Dr. Dr. Peter Schlüter und Dr. Heinrich Weichmann kommen bei dieser Frage zu einem ganz unterschiedlichen Fazit. Ihre Argumente für oder gegen die Delegierbarkeit:

  • Pro: Höchstpersönlich? Unwarscheinlich!
  • Contra: Indikationsstellung bleibt Arztsache!
Dr. Dr. Peter Schlüter, Allgemeinmediziner in Hemsbach, hält seit mehr als zwei Jahrzehnten Seminare zu allen Themen rund um EBM und GOÄ.

Dr. Dr. Peter Schlüter, Allgemeinmediziner in Hemsbach, hält seit mehr als zwei Jahrzehnten Seminare zu allen Themen rund um EBM und GOÄ.

© Illian

Von Peter Schlüter

Der Leistungsinhalt des alten Geriatrischen Basisassessments nach GO-Nr. 03240 forderte noch eine Untersuchung ("Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen unter Berücksichtigung des kardiopulmonalen und/oder neuromuskulären Globaleindruck") und damit zumindest in diesem Punkt eine ärztliche Leistung, die vom Arzt auch höchstpersönlich durchzuführen war. Das hat sich in der Leistungslegende beziehungsweise im obligaten Leistungsinhalt der neuen Gebühr nach GO-Nr. 03360 deutlich geändert.

Im obligaten Leistungsinhalt sind drei Punkte aufgeführt, die zwingend zu erfüllen und zu dokumentieren sind, um die Leistung auch ordnungsgemäß abrechnen zu können. Hier stellt sich nun die Frage, sind diese drei Leistungsanteile delegierbar oder nicht.

Zu Punkt zwei und drei gibt es im Grunde keinen Diskussionsbedarf, da standardisierte, wissenschaftlich validierte Testverfahren als solche an Praxismitarbeiter delegiert werden können.

Diskussionsbedarf gibt es jedoch bei Punkt eins, wo Erhebung und/oder Monitoring organbezogener und übergreifender motorischer, emotioneller und kognitiver Funktionseinschränkungen gefordert ist.

Sind "Erhebung" und "Monitoring" als rein ärztliche Leistungen höchstpersönlich vom Arzt durchzuführen, oder sind diese auch delegierbar? Dazu muss man diese beiden Begriffe "Erhebung" und "Monitoring" hinterfragen.

Erhebung oder auch Feststellung bezeichnet das Sammeln und Auswerten von Daten. Die Daten sind lediglich zu sammeln, müssen jedoch nicht - wie bei einem Experiment - zuerst erstellt beziehungsweise erzeugt werden. Durch eine Erhebung sollen Umfang und Ausprägung einer zu untersuchenden Tatsache statistisch dargestellt werden.

Das sind in dem speziellen Fall die organbezogenen motorischen, emotionalen und kognitiven Funktionseinschränkungen. Das lässt sich nach den Grundlagen des Qualitätsmanagements nach normierten Fragen und Erhebungen (z. B. Normal-Null-Methode für motorische Einschränkungen) durchführen.

Monitoring wiederum ist ein Überbegriff für alle Arten der unmittelbaren systematischen Erfassung (z.B.: Protokollierung, Beobachtung, Überwachung) eines Vorgangs oder Prozesses mittels technischer Hilfsmittel oder anderer Beobachtungssysteme. Dabei ist die wiederholte regelmäßige Durchführung ein zentrales Element der jeweiligen Untersuchungsprogramme, um anhand von Ergebnisvergleichen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Auch dieses erfordert nicht den höchstpersönlichen Einsatz des Arztes.

Insofern scheint der Leistungsinhalt des hausärztlich geriatrischen Basisassessments nicht zwingend, den höchstpersönlichen Einsatz des Arztes zu erfordern. Natürlich wird dieser in der Zusammenschau der verschiedenen Erhebungen der insgesamt drei Punkte dieser Leistung die Wertung vornehmen müssen. Doch das ist vom direkten Patientenkontakt selbst unabhängig.

Damit ist nach Meinung des Verfassers die Durchführung des hausärztlich geriatrischen Basisassessments, unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Leistungsdelegation, in vollem Umfang an eine entsprechend geschulte Mitarbeiterin delegierbar.

Dr. Heinrich Weichmann ist Urologe und ehemaliger KBV-Referent für Abrechnungsfragen.

Dr. Heinrich Weichmann ist Urologe und ehemaliger KBV-Referent für Abrechnungsfragen.

© Privat

Von Dr. Heinrich Weichmann

Zur Berechnung der Leistung nach GO-Nr. 03360 sind die in der Leistungslegende unter drei Spiegelstrichen aufgeführten obligaten Leistungsinhalte zu erbringen und zu dokumentieren. Daraus, dass im Unterschied zur früheren Leistungslegende des Basisassessments unter Punkt eins (siehe oben) der Terminus "Untersuchung" nicht mehr genannt ist, wird fälschlich geschlossen, die "Erhebung und/oder das Monitoring organbezogener und übergreifender motorischer, emotioneller und kognitiver Funktionseinschränkungen" sei delegierbar.

Aber: Mit den unter dem Punkt eins aufgeführten Untersuchungsleistungen ist erst die Indikation zu stellen, welche der unter Punkt zwei und drei genannten Testverfahren zu erbringen sind oder auch andere gleichartige Tests, da die in den Klammerzusätzen genannten Testverfahren nur als "z. B." definiert sind. Fälschlich wird auch angenommen, die Durchführung des Basisassessments sei delegierbar, weil für die Berechnung der Betreuung nach 03362 ausdrücklich ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt gefordert wird, für die 03360 aber nicht.

Zu Punkt zwei und drei: Die Durchführung der Tests ist delegierbar, die Indikationsstellung und Auswertung Arztsache.

Ein Beispiel: Will man die vollständige Erbringung des Basisassessments postulieren, wäre folgende Abrechnungskonstellation möglich: Eine Medizinische Fachangestellte (MFA) besucht (Besuchspauschale 40240) einen Patienten - ggf. erstmalig in einem Folgequartal - zur Durchführung delegierbarer Leistungen, z. B. einer Blutzuckerbestimmung. Der Patient beklagt neuerdings aufgetretene Schwindelanfälle mit Gangunsicherheit und Sturzgefahr. Die MFA stellt mittels der unter dem Punkt eins der Position 03360 aufgeführten "Erhebungen" die Indikation zur Durchführung von Testverfahren und erbringt diese. Die Ergebnisse werden in der Praxis vom Arzt ausgewertet. Die Grenzen der Delegierbarkeit von Leistungen sind hier eindeutig überschritten.

Auch die Auslegung des Paragrafen 2 der erst 2013 zum BMV-Ä aufgenommenen Anlage 24 (Delegation ärztlicher Leistungen) lässt die Delegation der unter dem 1. Punkt der Leistung nach 03360 genannten Inhalte nicht zu. Dort heißt es: "Der Arzt darf Leistungen, die er aufgrund der erforderlichen besonderen Fachkenntnisse nur persönlich erbringen kann, nicht delegieren." Dazu gehöre insbesondere Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten .

Führt eine MFA das Basisassessment durch, müsste sie gemäß den Ergebnissen der unter dem ersten Spiegelstrich bei der Leistung nach GO-Nr. 03360 aufgeführten Erhebungen die Indikation stellen, ob und welche Testverfahren durchzuführen sind. Die Indikationsstellung ist und bleibt Arztsache.

Fazit: Um kontroverse Auslegungen wie jetzt hinsichtlich der Delegationsfähigkeit des Basisassessments erst gar nicht aufkommen zu lassen, wäre der Bewertungsausschuss gut beraten, von vorneherein für Klarheit zu sorgen, ganz einfach mit einem Spiegelstrich "Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt".

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