Wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug jahrelang im Visier der Ermittler

MÜNCHEN (sto). Der Fall erregte bundesweit Aufsehen: 17 Jahre lang hatte die Staatsanwaltschaft in Rheinland-Pfalz gegen den Mainzer Arzt Dr. Werner Braunbeck wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs ermittelt. Im Februar 2007 wurde das Verfahren schließlich gegen eine Geldauflage von 32 500 Euro eingestellt. Vier Monate später starb Braunbeck im Alter von 65 Jahren an einem Hinterwandinfarkt.

Veröffentlicht:

Das Vorgehen der rheinland-pfälzischen Staatsanwaltschaft gegen Braunbeck war zeitweise ausgesprochen öffentlichkeitswirksam angelegt: Vier Hausdurchsuchungen innerhalb von fünf Monaten in der Praxis des Venenspezialisten während der Sprechstunden sowie in den Wohnräumen, die Verhaftung Braunbecks, der begleitet von 30 bis 40 schwer bewaffneten Polizisten und unter den Augen eines Kamerateams in Handschellen abgeführt wurde, sowie eine 50-tägige Untersuchungshaft von August bis Oktober 2000 gehörten zu den Höhepunkten.

Dass der Justizminister von Rheinland-Pfalz nach dem Tode Braunbecks in einem Schreiben an dessen Witwe sein Bedauern über "die mit der Länge der Verfahren entstandenen Belastungen" ausdrückte, wurde hingegen kaum noch registriert.

Der Journalist Ingo Deris, von 1982 bis 1985 Redakteur der "Ärzte Zeitung" und zeitweise auch Patient von Braunbeck, hat den Fall jetzt in einem Buch nochmals aufgegriffen. "Abrechnung. Der Fall Dr. med. B." beschreibt das Geschehen zwischen 1990 und 2007 als "Tatsachenbericht einer Ärzteverfolgung". "Auch wenn ein Anklagepunkt nach dem anderen von der Verteidigung zerpflückt und der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, gab die Staatsanwaltschaft nicht auf", erinnert sich Deris.

Die Anschuldigungen seien immer abstruser, der Erfolgszwang für die Ermittler immer größer geworden. "Man hatte den Eindruck, dass eine unheilvolle Mixtur von Belastungs- und Verfolgungswille auf der einen Seite, die fehlende Kodifizierung im Medizinbereich auf der anderen Seite sowie das fehlende praktische und theoretische Wissen der ermittelnden Personen dazu führten, dass schwindelerregend hohe Schuldvorwürfe konstruiert wurden", sagt Deris.

"Für Ärzte und alle im Bereich Gesundheitswesen Tätige ist die Lektüre ein Muss, für Juristen eine Pflicht, damit sich vergleichbares Unrecht nie wieder ereignet", schreibt Dr. Günter Gerhardt, Vorsitzender der KV Rheinland Pfalz, auf dem Cover des Buches.

Ingo Deris: Abrechnung. Der Fall Dr. med. B. Deutscher Ärzte-Verlag, 158 Seiten, 19,95 Euro

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer