Ambulant vor stationär

Wie kann das finanziert werden?

Ambulant vor stationär. Gegen diesen Grundsatz wird häufig deshalb verstoßen, weil das Geld nicht der Leistung folgt. Eine Ursache: Erfolglose Bemühungen der Kassen, die Klinikbudgets prospektiv um vermeidbare Hospitalisierungen nach unten zu korrigieren.

Veröffentlicht:
Was Krankenhäusern und Ärzten an Entgelten und Honorar zufließt, ist größtenteils budgetiert. Dafür existieren unterschiedliche Regeln.

Was Krankenhäusern und Ärzten an Entgelten und Honorar zufließt, ist größtenteils budgetiert. Dafür existieren unterschiedliche Regeln.

© Klaus Rose

BERLIN. "Quantifizierung von kleinräumigen Verlagerungseffekten mit Blick auf die Budgetverhandlungen mit einzelnen Krankenhäusern" - unter diesem sperrigen Titel hat die Unternehmensberatung AGENON (Berlin) im Auftrag der Barmer GEK und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung eine Methodik entwickelt, wie die Kassen Klinikbudgets herunterhandeln könnten.

Für Vertragsärzte ist dies von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung ihrer Vergütung.

Gesetzlich ist den Verhandlungspartnern im Bewertungsausschuss zwar vorgegeben, bei der jährlichen Anpassung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung auch Verlagerungseffekte von den Krankenhäusern in die ambulante Medizin zu berücksichtigen.

Das ist aber in der Praxis schwer umzusetzen, und zwar aus verschiedenen Gründen:

Wie kann der Verlagerungseffekt gemessen werden?

Für den möglichen Honorarzuwachs der Vertragsärzte wird der Verlagerungseffekt, der im Vorjahr stattgefunden hat, für das Folgejahr prospektiv vereinbart. Das Problem hierbei ist die Messung des Effekts.

Noch schwieriger ist es aber für die Krankenkassen, mit den Krankenhäusern prospektiv einen Verlagerungseffekt auszuhandeln.

Anders als bei den Vertragsärzten mit ihrer morbiditätsbedingten Gesamtvergütung werden Klinikleistungen so bezahlt, wie sie erbracht und abgerechnet werden. Geld folgt der Leistung.

Das heißt auch: Leistungen (Fälle), die nicht erbracht werden, werden nicht bezahlt.

Da aber der Verdacht besteht, stationäre Leistungen könnten genauso gut ambulant erbracht werden, sollten Kliniken keinen Anreiz haben, solche Leistungen zu erbringen.

Das müsste dann aber in den Verhandlungen über neue Budgets im Mengengerüst vereinbart werden. Theoretisch ist das durch Erlösausgleichsregelungen möglich.

Es funktioniert aber nicht, wie die Unternehmensberater in zahlreichen Experteninterviews erfuhren:

Keine prospektiven Budgetverhandlungen

Budgetverhandlungen werden nicht prospektiv, sondern oft erst nach der Sommerpause oder im Herbst des laufenden Budgetjahres geführt. Grund dafür ist, dass Landesbasisfallwerte oft erst zur Jahresmitte vereinbart werden und erst danach die klinikindividuellen Budgetverhandlungen starten.

Die bereits erbrachten Leistungen werden dann aufs Jahresultimo hoch gerechnet und bilden das Erlösbudget.

Versuche, im Nachhinein Fehlbelegung geltend zu machen, führt in die Einzelfallprüfung durch den MDK - für eine Budgetvereinbarung ist das fruchtlos.

Kassen könnten die Schiedsstellen anrufen, aber deren Vorsitzende orientieren sich an "harten" Fakten, die auch justiziabel sind.

In ihrem Gutachten liefern die Unternehmensberater nun Methodenansätze, wie Kassen mit Fakten und Argumenten ihre Forderung nach einem prospektiv zu vereinbaren Verlagerungseffekt untermauern können.

Im ersten Schritt müssen Krankheitsgruppen ausgewählt werden, bei denen statt stationärer auch ambulante Behandlung möglich ist.

Herangezogen werden können die Ergebnisse von Fehlbelegungsprüfungen des MDK, Indikationsgruppen ambulant-sensitiver Krankenhausfälle oder über Kataloge ambulant durchführbarer Operationen.

Notwendig ist, dass es sich um Krankheiten mit hohen Fallzahlen handelt, weil sonst der statistische Fehler zu groß wird.

Im zweiten Schritt werden diejenigen DRGs sowie EBM-Ziffern identifiziert, die als verlagerungssensitiv eingestuft werden.

Das Problem hierbei: Bei Berücksichtigung von Komorbiditäten wird die Angelegenheit sehr komplex. Außerdem werden die DRGs anders als der EBM kontinuierlich verändert.

Ungleicher Wettbewerb

Im dritten Schritt müssen die als verlagerungssensitiv identifizierten Parameter für das einzelne Krankenhaus und für die relevante Region quantifiziert werden.

Im vierten Schritt erfolgt eine Analyse der ambulanten Behandlungskapazitäten und -strukturen.

Am Ende kann dann das Fazit stehen: Sowohl das Krankenhaus, mit dem Verhandlungen geführt werden, als auch in seiner Region werden verglichen mit anderen Regionen (alters- und morbiditätsadjustiert) überdurchschnittlich viele verlagerungsfähige Leistungen erbracht.

Und dem muss eine ambulante Leistungskapazität gegenüberstehen, die die Krankenhausfälle auch abarbeiten kann.

Im Ergebnis empfehlen die Unternehmensberater einen Werkzeugkasten zur Selbsthilfe. Ob das ausreicht, daran zweifeln Experten wie der Gesundheitsökonom, Professor Wolfgang Greiner, Mitglied des Sachverständigenrates.

Seine Empfehlung richtet sich direkt an den Gesetzgeber: gleiche Wettbewerbsbedingungen für ambulante und stationäre Medizin zu schaffen. Ob dies funktioniert, könnte sich vielleicht bei der Realisierung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung zeigen. (HL)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 11.09.201422:44 Uhr

was gibt es da zu lamentieren?

Es wird doch gleichzeitig seit Jahren die Ausweitung ambulanter Tätigkeit durch Krankenhäuser betrieben.
Auch wenn, bitte nicht vergessen,
Krankenhäuser investitionsbezogen komplett vom Steuerzahler finanziert werden und nicht vom Behandlungserlös. Davon kann der selbständige Arzt nur träumen!
Dabei sei neidlosa konzidiert, dass der medizinische Fortschritt meist vom Krankenhaus ausgeht um dann sekundär auch in die ambulante Versorgung zu migrieren.
Na und?

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