Ran an die Patienten

Wie sich Pharma fit machen soll

Die Pharmaindustrie entdeckt die Patienten: Auf dieser Zielgruppe ruhen laut Ernst & Young die Chancen der Branche zu künftigem Wachstum.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN. Schwächelnde Pipeline, rigidere Erstattungsreglements, wachsender Wettbewerbsdruck: Das Geschäftsmodell der forschenden Pharmaindustrie verspürt Gegenwind.

Dieser Befund ist zwar nicht mehr ganz taufrisch, doch immer noch interessant genug, um in Analystenkreisen für Gesprächsstoff zu sorgen.

Mit einer akribischen Betrachtung der aktuellen Ertragslage der 20 weltweit größten Pharmaunternehmen hat sich jetzt die Unternehmensberatung Ernst & Young zu Wort gemeldet.

Untersucht wurden das Umsatzwachstum 2012 gegenüber Vorjahr sowie der ausgewiesene - also nicht um Sondereffekte bereinigte - Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) sowie die Forschungsquote.

Forschungsausgaben legten weltweit zu

Demnach gingen die Verkäufe der 20 größten Pharmageschäfte wechselkursbereinigt um ein Prozent auf 471 Milliarden Euro zurück. Das EBIT dieser Firmen nahm um drei Prozent auf knapp 120 Milliarden Euro ab.

Die weltweiten Forschungsausgaben legten mit einem Prozent auf 69,6 Milliarden Euro leicht zu. Die F&E-Quote beträgt aktuell 14,8 Prozent.

Differenzierter stellt sich das Bild dar, wenn die zehn größten Unternehmen mit denjenigen auf den Plätzen 11 bis 20 verglichen werden. Dann zeigt sich, dass die Kandidaten aus der zweiten Reihe sehr viel mehr Geld in die Forschung stecken - und nicht zuletzt deshalb mit einer geringeren Profitabilität aufwarten.

Während unter den Top Ten die Forschungsquote bei gleichzeitig zweiprozentigem Umsatzrückgang 14 Prozent beträgt, erreicht sie bei den übrigen Firmen, die in der Berichtszeit um drei Prozent gewachsen sind, 17,5 Prozent.

Dafür können diese mit 22,7 Prozent EBIT-Marge deutlich weniger Geld für andere Dinge ausgeben als die ganz Großen, die operativ 26,3 Prozent vom Umsatz als Gewinn verbuchten.

Pharma hat Wachstumspotenzial

Nach Ansicht von Ernst & Young-Partner Gerd Willi Stürz , der die Analyse am Mittwoch in Frankfurt der Öffentlichkeit vorstellte, belegen die Zahlen, dass sich der Wettbewerb an der Branchenspitze intensiviert, Ressourcen für Akquisitionen und den Pipelinenachschub aber nicht mehr so üppig fließen wie ehedem.

Existenzbedrohlich sei die Margenentwicklung "weder heute noch morgen". Pharma habe "ein enormes Wachstumspotenzial", so Stürz weiter.

Doch wer morgen noch zu den Gewinnern gehören wolle, müsse sein Geschäftsmodell heute fit machen.

Dazu gehörten einerseits die umfassenden Effizienz- und Restrukturierungsprogramme, die seit geraumer Zeit in der Branche Einzug halten. Andererseits eine Neuorientierung des Vertriebs an der Zielgruppe Patient.

Den Patienten via Social Media nähern

Künftig, ist Stürz überzeugt, würden Hersteller am Erfolg ihrer Innovationen "nicht nur in klinischen Studien, sondern auch in der praktischen Anwendung" gemessen.

Um auf dieser Versorgungsebene Einfluss zu erlangen, müssten sie mit Hilfe von Social Media und mobilen Endgeräten das Patientenverhalten direkt zu bestimmen und beispielsweise die Therapietreue zu steuern versuchen.

Für solche aber auch allgemeinere Patientenservices, beispielsweise die allgemeine Förderung gesunder Verhaltensweisen, werde sich "die Pharmabranche öffnen und Kooperationen mit bislang branchenfremden Playern eingehen - etwa aus den Bereichen IT, Telekommunikation oder aus der Nahrungsmittelindustrie".

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