Zu lasche Betrugskontrolle durch die KVen?

Harsche Kritik an den KVen: Transparency International hält die Prüfverfahren gegen Fehl verhalten im Gesundheitswesen für intransparent. Das gehe zulasten der Versicherten. Doch hat die Organisation den Prüfauftrag überhaupt verstanden?

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Stichprobenartig werden Arztabrechnungen auf Plausibilität geprüft - geht dabei zu viel durch?

Stichprobenartig werden Arztabrechnungen auf Plausibilität geprüft - geht dabei zu viel durch?

© Gina Sanders / Fotolia.com

HANNOVER. Transparency International kritisiert die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen).

Es sei unklar, "was die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei den einzelnen KVen eigentlich leisten", sagte Dr. Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparency International bei einer Pressekonferenz der KKH Allianz, auf der die Kasse die aktuellen Zahlen zum Betrug im Gesundheitswesen präsentierte.

Die Öffentlichkeit tappe im Dunkeln, wie viel Geld Steuerzahler und Versicherte durch Betrug im Gesundheitswesen tatsächlich verlieren.

Denn das entsprechende Gesetz sei schlecht gemacht und niemand wisse, "in welchem Umfang und mit welchen Schwerpunkten das zu ermittelnde Fehlverhalten bei Kassenärztlichen Vereinigungen eigentlich erfasst und geahndet wird", so Martiny.

Physiotherapeuten, Apotheken und Kliniken vorn

Die KKH Allianz habe für das Jahr 2011 eine Gesamtschadensumme von 934.000 Euro in 589 Fällen aufgedeckt, sagte Ingo Kailuweit, Vorstandsvorsitzender der KKH Allianz. Am häufigsten haben nach den Ermittlungen der KKH Allianz Krankengymnasten und Physiotherapeuten betrogen.

Darauf folgen Apotheken und die häusliche Pflege. Ärzte stehen an vierter Stelle. Auch bei den Schadensummen stehen Ärzte an vierter Stelle. Stationäre Behandlungen, Apotheken und Krankengymnasten/Physiotherapeuten führen hier die Liste an.

"Der Schwerpunkt der Betrugsfälle hat sich auf unzulässige Kooperationen verschoben", sagte Kailuweit zur "Ärzte Zeitung". "Gegen Einweisungsmanagement zum Beispiel ist an sich nichts einzuwenden", so Kailuweit. Wenn dabei allerdings Geld fließe, dann müsse dem immer auch eine entsprechende Leistung gegenüberstehen.

Detlef Haffke, Sprecher der KV Niedersachsen, betonte, die KV befasse sich nur mit Abrechnungs betrug, einem Feld, das von der KKH-Allianz nicht bearbeitet wird, wie Kailuweit bestätigte. Auch könne man nicht von der Schädigung von Versicherten und Steuerzahlern sprechen, so Haffke.

Die KV überprüfe die sachlich-rechnerische Richtigkeit und die Plausibilität, in Niedersachsen unter anderem durch Stichprobenprüfungen bei MVZ und Praxisgemeinschaften.

"Die Allgemeinheit erleidet durch Abrechnungsbetrug abgesehen von extrabudgetären Leistungen keinen Schaden. Auch Kassen nicht, da sie für ihre Versicherten pauschale Entgelte an die KVen zahlen, mit dem alle kurativen Leistungen und Kosten abgegolten sind. Ärzte schädigen mit Falschabrechnungen ihre Kollegen."

Weil die Staatsanwaltschaften darin keinen gesellschaftlichen Schaden sähen, stellten sie die Verfahren oft ein, so Haffke. Der Vorstand berichte einmal im Jahr in der öffentlichen Vertreterversammlung über die Prüfungsergebnisse.

"Darüber hinaus wird die Aufsichtsbehörde, also das Gesundheitsministerium, informiert", so Haffke.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 01.03.201213:58 Uhr

Transparenz und Durchblick?

Bei aller Transparenz fehlt "Transparency International" (TI) bei der Kritik an Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der Durchblick. Das gilt auch für die KKH Allianz mit ihrer gemeinsamen (?) Pressekonferenz mit TI zu den aktuellen GKV-Zahlen. Aber vielleicht ist das ja nur ein letztes großen Aufbäumen, bevor KKH und Allianz ab 2013 wieder getrennte Wege gehen (vgl. http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/803101/kkh-allianz-trennt.html).

Bei gedeckelter Gesamtvergütung im ambulanten GKV-Bereich ist es durchaus angemessen, dass KVen eigene Clearingstellen unterhalten, da bei Abrechnungsmanipulationen die Vertragsärzte sich nur g e g e n s e i t i g betrügen können. Versicherte und Steuerzahler können dabei prinzipiell n i c h t zu Schaden kommen, insbesondere bei der Masse der gedeckelten intrabudgetären Leistungen. Und besonders schwere Fälle, bei denen die Öffentlichkeit aber auch n i c h t geschädigt wird, werden von den KVen an die zuständigen Staatsanwaltschaften übermittelt.

Attraktiver und geldwerter sind Vorteilsnahmen bei den Berufsgruppen im Gesundheitswesen, die f r e i von Budgetzwängen in der GKV agieren. Deswegen stehen Physiotherapie, Apothekenwesen und häusliche Krankenpflege auf Platz 1 bis 3 nach Häufigkeit und Umfang der Betrugsvorwürfe. Dass sich vertragsärztlicherseits "der Schwerpunkt der Betrugsfälle ... auf unzulässige Kooperationen verschoben" habe, wie der Vorstand der KKH Allianz behauptet, ist ein reines Rückzugsgefecht. Denn selbst bei unzulässiger Mengenausweitung und innerärztlichem Verteilungskampf wird der GKV-Deckel über der vertragsärztlichen Gesamtvergütung keinesfalls gesprengt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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