Britische Studie

Zufriedene Patienten trotz Zehn-Minuten-Medizin

Die Länge des Arztgesprächs wirkt sich nicht unbedingt auf Zufriedenheit und Vertrauen des Patienten aus, fanden Forscher heraus.

Von Dr. Christine Starostzik und Matthias WallenfelsMatthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Art der Kommunikation ist für Ärzte im Gespräch mit Patienten wichtiger als die reine Dauer.

Die Art der Kommunikation ist für Ärzte im Gespräch mit Patienten wichtiger als die reine Dauer.

© Stockbyte / Thinkstock

CAMBRIDGE. Hausärzte in Großbritannien können sehr gut einschätzen, wie viel Zeit die unterschiedlichen Patienten jeweils benötigen, um mit einem guten Gefühl aus der Praxis zu gehen.

Zu dieser Einschätzung gelangen Natasha Elmore von der University of Cambridge und Kollegen (Br J Gen Pract 2016; online 1. Dezember).

Sie haben untersucht, welchen Einfluss die Konsultationsdauer auf verschiedene Aspekte der Betreuung aus der Sicht der Patienten hat. Hierzu wurden in 13 britischen Hausarztpraxen 440 Konsultationen per Video dokumentiert, um die Länge des Patientenkontakts festzuhalten, anschließend wurden die Patienten befragt.

Schätzungen zufolge widmet ein britischer Hausarzt dem einzelnen Patienten im Schnitt zwischen neun und zwölf Minuten. Kritiker halten dagegen, dass mindestens 15 Minuten nötig seien, um eine zufriedenstellende Primärversorgung zu gewährleisten.

Zum Vergleich: Im Gesundheitsmonitor 2014 der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit der Barmer GEK berichtet mehr als die Hälfte der Ende 2012 befragten Patienten in Deutschland von einer durchschnittlichen Gesprächsdauer von maximal zehn Minuten beim Hausarztbesuch.

Trotzdem bezeichneten 86 Prozent der Patienten die Dauer des Behandlungsgespräches und des gesamten Arztkontaktes als "gerade richtig".

Kürzester Aufenthalt zwei Minuten

Die meisten Teilnehmer der britischen Studie schätzten ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Der kürzeste Aufenthalt im Sprechzimmer lag bei zwei Minuten, der längste bei über 30 Minuten. Durchschnittlich wurde eine Konsultationsdauer von zehn Minuten und 22 Sekunden ermittelt.

Die Qualität der Kommunikation wurde mit einem Score (0–100 Punkte) erfasst. Die Befragungen ergaben, dass die Patienten insgesamt ihren Ärzten vertrauten und sehr zufrieden mit ihrer Behandlung waren – was wiederum mit den deutschen Ergebnissen korrespondiert.

Nach Einschätzung der Patienten hatte die Konsultationsdauer anders als in früheren Studien keinen Einfluss auf die Qualität der Kommunikation, das Vertrauen in den Arzt und Zuversicht oder die Gesamtzufriedenheit.

Auch die Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie Patientenalter, -geschlecht, Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes, Ethnie oder Geschlecht des Arztes änderten an diesem Ergebnis nichts.

Qualität und Quantität im Blick

Manche Patienten berichteten über gute Erfahrungen, obwohl ihr Aufenthalt im Sprechzimmer nur sehr kurz war. Solche Stippvisiten sind möglich, wenn der Arzt den Patienten etwa seit langem kennt, nur eine Impfung oder eine Folgebehandlung fällig sind. Offenbar unterscheiden Patienten insgesamt sehr genau zwischen Qualität und Quantität.

Allerdings könnten zur Gewährleistung klinischer Erfolge sowie im Sinne der Patientensicherheit, so Elmore und Kollegen, zuweilen natürlich auch längere Behandlungszeiten erforderlich sein, gerade bei Patienten mit komplexen Erkrankungen.

In künftigen Studien, so die Autoren, sollten nun die Vorteile ausgedehnter Konsultationen, insbesondere bei chronisch kranken oder multimorbiden Patienten genauer untersucht werden.

Ein wesentlicher Kritikpunkt im Gesundheitsmonitor 2014 betraf die ärztliche Gesprächsführung. Eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation sei "nicht selbstverständlich", hieß es. Eine Ursache für den Missstand verorteten die Studienautoren in "einer Ausbildungsstruktur, die in hierarchischen Strukturen nach wie vor eher input- als dialogorientiert ist".

Das soll sich nun offensichtlich ändern. Wie berichtet, sieht der neunseitige Entwurf des Masterplans Medizinstudium 2020, der der "Ärzte Zeitung vorliegt", vor, dass Medizinstudenten künftig kommunikative Kompetenzen bereits in der ärztlichen Ausbildung erwerben sollen.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei

EU-Pharma Agenda – Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Impulse für die Arzneimittelversorgung aus Patientenperspektive

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda

Beschluss im G-BA

Potenzialerhebung für AKI wird ab 1. Juli neu geregelt

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Datenschutz ist zugleich auch Praxisschutz

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Lesetipps
Junger Mann mit Schmerzen im unteren Rückenbereich.

© anut21ng Stock / stock.adobe.com

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lungenkrebs so früh wie möglich erkennen und damit die Heilungschancen erhöhen helfen soll das neue Früherkennungsprogramm, das der G-BA beschlossen hat.

© Sascha Steinach / ZB / picture alliance

Beschluss des G-BA

Lungenkrebs-Screening wird Kassenleistung

Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung