Zwangsbehandlung im Südwesten gestoppt

STUTTGART (fst). In Baden-Württemberg können Patienten im Maßregelvollzug gegenwärtig nicht gegen ihren Willen medizinisch behandelt werden.

Veröffentlicht:

Ausnahmen seien nur bei "akuter Krisensituation" des Patienten möglich, hat das Landessozialministerium auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag erklärt.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 2011. Darin hatten die Karlsruher Richter einen Passus im baden-württembergischen Unterbringungsgesetz (UBG) für verfassungswidrig erklärt.

Das Gericht rügte, das Landesgesetz begrenze die Zwangsbehandlung nicht, wie es verfassungsrechtlich geboten wäre, auf Fälle "krankheitsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit".

Im konkreten Fall hatte ein Patient gegen seine Zwangsbehandlung mit einem Neuroleptikum geklagt.

Patienten, die keine unmittelbare Gefahr für sich oder dritte Personen bedeuten, könnten seitdem als Folge des Urteils nicht gegen ihren Willen behandelt werden, erklärt die Landesregierung.

Warnung vor der Verwahrpsychiatrie

Damit würde die Zahl der in geschlossenen Einrichtungen untergebrachten Menschen "stetig steigen, ohne dass diesen Patienten geholfen werden könnte". Das würde den Rückfall in eine "reine Verwahrpsychiatrie bedeuten", schreibt die Landesregierung.

Die zuständige Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) erklärt, eine Neuregelung des Unterbringungsgesetzes solle "so zeitnah wie möglich" erfolgen. Im Mai seien dazu Experten angehört worden.

Die CDU-Fraktion verwies in ihrer Anfrage auf die Verunsicherung, die das Urteil bei Ärzten und Pflegemitarbeitern ausgelöst habe. Teilweise sei der Karlsruher Beschluss fälschlich als Verbot aller Zwangsbehandlungen interpretiert worden.

Landesweit waren im vergangenen Jahr nach Zahlen des Sozialministeriums 597 Menschen gemäß Betreuungsrecht in Zentren für Psychiatrie untergebracht.

Ihre Zahl ist seit 2008 stetig gesunken. Dagegen stieg die Zahl der eingewiesenen Personen nach dem Unterbringungsgesetz seit 2008 stark, und zwar von 1347 auf 1839.

Mehr zum Thema

Geplante Abwicklung des ÄZQ zum Jahresende

DEGAM wirbt für Fortsetzung des NVL-Programms

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer