Zweitältestes Gewerbe der Welt

Die Ausstellung "Zu Gast - 4000 Jahre Gastgewerbe" im Stadtmuseum Erfurt erzählt die Geschichte des Essens und Trinkens vor aller Augen. Nicht zuletzt aber vermittelt sie auch Skurriles und Unbekanntes.

Von Katlen Trautmann Veröffentlicht:
Kinder einer Erfurter Grundschule besuchen die Ausstellung. i

Kinder einer Erfurter Grundschule besuchen die Ausstellung. i

© Foto: Erfurt, Stadtmuseum

Essen und Trinken sind uralte Kulturtechniken. Eine moderne These besagt sogar: Nicht durch Arbeit, sondern durch die Vorliebe für warmes Essen ist der Homo erectus schlau geworden. Gekochte und gebratene Nahrung hat die rapide Hirnentwicklung mehr gefördert als jede andere Kulturleistung, sagt der amerikanische Biologe Richard Wrangham.

Doch Essen stillt nicht nur Hunger, sondern besitzt tiefe Symbolik. Das Brechen des Brotes hat in der christlichen Eucharistiefeier seinen Platz. Gemeinsame warme Mahlzeiten sind auch noch heute Ausdruck von Verständigungswillen.

Der Ursprung der Gastkultur liegt im Zweistromland

Das Gastgewerbe beansprucht für sich, das zweitälteste Gewerbe der Welt zu sein. Der Besucher der Ausstellung "Zu Gast - 4000 Jahre Gastgewerbe" erzählt seine Geschichte. In zwölf Teilen und einem Erfurt-Kapitel erfährt man Skurriles aus den Anfängen des Gastgewerbes, dessen Besonderheiten und unbekannte Seiten. Wussten Sie zum Beispiel, dass Schiller ständig etwas auf dem "Kerbholz", nämlich Zechschulden, hatte?

Die Ausstellung beginnt mit der Gastkultur im alten Zweistromland. Der älteste bekannte Wirt der Menschheit lebte dort und war eine Frau. Das Gilgameschepos erwähnt "Siduri", die den verzweifelten Helden am Tresen tröstet. Wenige Meter weiter erfährt der Besucher, dass König Hammurapi 1700 v. Chr. das erste Gastgewerbegesetz erließ. Es enthielt harte Strafen: Betrog eine Wirtin, sollte sie ins Wasser geworfen werden. Und schon zu Zeiten der Pharaonen wurden 70 Sorten Bier gebraut. Nicht zuletzt zeigt die Ausstellung, dass das älteste und das zweitälteste Gewerbe der Welt seit jeher als verlobt gelten.

Der Brauch des Anstoßens entstand aus Sorge vor Gift

Zu Beginn des Mittelalters werden erst kostenlos und später auch gegen Bezahlung Kranke, Arme und Reisende beherbergt und beköstigt. Ab dem 11. Jahrhundert entstehen kommerziell betriebene Bier- und Weinklöster sowie Gästehäuser.

Giftdolche und Pistolenbestecke aus dem 17. Jahrhundert belegen, dass Besucher eines Gastmahls keineswegs immer nur friedliche Absichten anderer Tischgäste erwarten durften. Aus der Sorge vor Gift entwickelte sich auch der Brauch des Anstoßens: Randvoll gefüllte Krüge wurden gegeneinandergestoßen, damit einige Tropfen in den Pokal des Gegenübers schwappten. Wer sich weigerte, dies zu tun, "erregte Anstoß". Viele Jahrhunderte war es nicht üblich, den Gästen in Garküchen oder Herbergen Besteck zu den Mahlzeiten zu reichen. Jeder Reisende hatte den eigenen Löffel dabei oder aber, wie Fürst Carl Anselm von Thurn und Taxis, ein goldenes Reisebesteck.

Ein weiterer Teil der Ausstellung widmet sich dem Siegeszug von Kaffee und Kaffeehaus als "Probebühne bürgerlicher Emanzipation". Kaffeetassen von Blechtopf bis Meißner Porzellan belegen den sozialen Aufstieg des Kaffeepotts.

Wie ehemalige Köche des Hoch adels Restaurants als neue "Betriebsform" aus der Taufe hoben, den Herbergen und Tavernen Konkurrenz machten und den Übergang von der groben zur feinen Lebensart beförderten, erzählen historische und teilweise einmalige Exponate. Im Erfurt-Kapitel erläutern die Ausstellungsmacher an mehreren Beispielen die Bedeutung von "Hotelsilber", das 1770 in Thüringen erfunden wurde.

Zum Abschluss der Ausstellung kann der Besucher einen Blick auf das ausgehende 19. und 20. Jahrhundert werfen. Das Gastgewerbe wurde zur Innovationslokomotive zum Beispiel für die Hotelbranche und die Getränkeindustrie. Arrangements von Pappboxen und -bechern von Fast-Food-Anbietern illustrieren das moderne Spannungsfeld von global und regional, von Einzellösung und System. Eine Titelseite der Bildzeitung zum Thema "Rauchverbot in Eckkneipen" steht dafür, wie sehr dieses Gewerbe bis heute die Öffentlichkeit bewegt.

Informationen

Die Ausstellung ist bis zum 5. Oktober in Erfurt (Infos: www.stadtmuseum-erfurt.de) zu sehen. Danach wird sie im Deutschen Klingenmuseum Solingen und im Museum August Kestner Hannover gezeigt.

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