Kommentar – Nahrungsmittelallergie

Wir sind so frei

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:

Eine Einladung zum Abendessen kann heutzutage in einen Spießrutenlauf münden. Versammeln sich nämlich zehn Personen um einen Tisch, outet sich davon mindestens einer als Veganer, ein Zweiter berichtet über seine Glutenunverträglichkeit und der Sitznachbar ist davon überzeugt, auf Laktose und Fruktose allergisch zu reagieren – ganz abgesehen von einer echten Haselnussallergikerin.

Informierte Gastgeber sehen das sportlich. Sie werden kreativ und dekorieren die Teller mit Veggie-Bällchen an Avocado-Ingwer-Mousse. Auch Lebensmittelläden haben sich längst auf die neuen Leiden ihrer Kunden eingestellt. Die Regale sind voll mit „freien“ Produkten: glutenfrei, laktosefrei und natürlich vegan.

Selbstverständlich kann es für echte Allergiker lebenswichtig sein, bestimmte Lebensmittel zu meiden. Einer US-Studie zufolge glauben allerdings viel mehr Menschen, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden, als dies bei näherer Betrachtung tatsächlich der Fall ist.

Auch für Deutschland wurden erhebliche Fehleinschätzungen vermeintlich Betroffener bestätigt. Bevor diese sich auf einen ernährungstechnischen Balanceakt begeben, sollte eine vermutete Allergie von einem Experten abgeklärt werden. Vielleicht machen dann auch Essenseinladungen wieder mehr Spaß.

Lesen Sie dazu auch: Ernährung: Lebensmittelallergie kommt oft mit den Jahren

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Kommentare
Dr. Stefan Graf 23.01.201907:50 Uhr

Wohlstandsinsignien

Sie haben ja so recht, liebe Frau Starostzik. Bei allem Mitgefühl für wirklich an Allergien oder Intoleranzen Leidende, dieser neue "Verzichtshype" und Chic, allergisch und/oder intolerant (die meisten kennen nicht einmal den Unterschied) zu sein, ist eine Insigne unserer Wohlstandsgesellschaft. Man schafft sich nicht existierende Probleme, die man durch lautstark verbreiteten Verzicht zur heroischen Eigendarstellung nutzt. Dahinter steht ein höchst lukratives Marketingkonzept mit frei verkäuflichen "Allergie-/Intoleranztests" und der entsprechenden "XY-frei"-Lebensmittelproduktpalette.
Beim Essen "Prinzessin auf der Erbse", aber sonst werden Cannabis und Ganzkörpertattoos als unbedenklich und "hipp" glorifiziert.
Mit alledem wird auf den Gefühlen wirklicher Allergiker/Intoleranter herumgetrampelt.

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