HINTERGRUND

Hinter den Symptomen einer COPD verbirgt sich nicht selten eine chronische Herzinsuffizienz

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:

Ein Patient, 74 Jahre alt, leidet unter Atemnot, fühlt sich körperlich schwach und klagt über Müdigkeit. Eine solche Konstellation von Symptomen ist ebenso häufig wie unspezifisch. Zugrundeliegende Ursache kann unter anderen eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), aber auch eine kardiale Erkrankung, etwa eine Herzinsuffizienz sein. Möglich ist darüber hinaus, daß Lungen- und Herzfunktion gleichzeitig gestört sind.

Differentialdiagnose Herzinsuffizienz/COPD
Symptome und Befunde...
...vor allem bei
Herzinsuffizienz
...bei Herzinsuffizienz und COPD
...vorwiegend bei
COPD
schaumiger Auswurf
Nykturie
periphere Ödeme
Gewichtszunahme
Palpitationen
gestaute Halsvenen
Rauchen
Husten
Müdigkeit
Leistungsintoleranz
Tachykardie
Zyanose
Atemnot-Anfälle
eitriger Auswurf
pfeifende Atmung
Faßthorax
grobblasige
Rasselgeräusche
Quelle: nach Schweiz Med Forum Nr. 48, Tabelle: ÄRZTE ZEITUNG
Auf Herzinsuffizienz deuten eher periphere Ödeme und Nykturie hin, auf COPD eher pfeifende Atmung und grobblasige Rasselgeräusche.

Die Differentialdiagnostik ist oft nicht einfach. Auf Risikofaktoren in der Vorgeschichte, etwa jahrelanges Zigarettenrauchen, können Ärzte bei beiden Erkrankungen stoßen. Landet der Patient mit Verdacht auf COPD zunächst beim Hausarzt oder Lungenfacharzt, ist nicht davon auszugehen, daß eine Echokardiographie zum Ausschluß einer Herzinsuffizienz Bestandteil des diagnostischen Standardprogramms ist.

Prävalenz unentdeckter Herzinsuffizienz untersucht

Deshalb ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß bei einem Teil der Patienten mit als COPD gedeuteter Symptomatik eine unerkannte Herzinsuffizienz die wirkliche Ursache der Beschwerden sein kann oder als Begleiterkrankung vorliegt. Tatsächlich haben Studien ergeben, daß nicht wenige Patienten mit COPD oder Asthma, die mit akuter Dyspnoe in der Notfallaufnahme vorstellig wurden, auch eine Herzinsuffizienz hatten.

    Klinikärzte untersuchten über 400 Patienten mit der Diagnose COPD.
   

Wenig ist allerdings darüber bekannt, wie hoch die Prävalenz der unentdeckten Herzinsuffizienz bei klinisch stabilen Patienten mit der Diagnose COPD ist. Niederländische Kardiologen und Pulmologen an der Universität Utrecht sind jetzt in einer interdisziplinären Studie dieser Sache genauer auf den Grund gegangen (European Heart Journal, Online-Vorveröffentlichung).

Aus 51 Praxen niedergelassener Ärzte der Stadt und der umliegenden Region haben sie insgesamt 405 Patienten in die Klinik eingeladen und jeweils drei Stunden lang nach allen Regeln der fachärztlichen Kunst auf Herz und Lunge untersucht. Außer Anamnese und körperlicher Untersuchung zählten Röntgenuntersuchung, EKG, Echokardiographie und Lungenfunktionstest zum Katalog der diagnostischen Maßnahmen.

Ein Experten-Panel, bestehend aus zwei Kardiologen, einem Pulmologen und einem Allgemeinmediziner, entschied auf Basis aller erhobenen Befunde gemeinsam über die Diagnose der Patienten.

Studienteilnehmer waren ausschließlich ältere Patienten (über  65 Jahre), bei denen Hausärzte zuvor die Diagnose COPD gestellt hatten. Selbstverständlich waren bei keinem Patienten aus der Vorgeschichte Hinweise auf eine Herzinsuffizienz bekannt.

Mit Hilfe ihres umfangreichen diagnostischen Instrumentariums konnten die Utrechter Ärzte aufdecken, daß bei immerhin 83 (20,5 Prozent) der 405 untersuchten Patienten eine zuvor nicht erkannte Herzinsuffizienz bestand.

32 Prozent hatten weder COPD noch Herzinsuffizienz

Bei 33 Patienten (acht Prozent) lag ausschließlich eine kardiale Pumpschwäche vor, wogegen die übrigen 50 sowohl eine Herzinsuffizienz als auch eine gesicherte COPD aufwiesen. Von den 83 Patienten mit objektivierbarer Herzinsuffizienz hatten 42 eine systolische linksventrikuläre Dysfunktion und 41 eine rein diastolische Funktionsstörung.

Bei 128 Patienten (32 Prozent) konnten die Mediziner weder eine COPD noch eine Herzinsuffizienz mit letzter Gewißheit feststellen. Einige dieser Patienten litten unter anderen Lungenerkrankungen wie Asthma oder Bronchiektase.

Die relativ hohe Prävalenz von nicht erkannter Herzinsuffizienz bei stabilen Patienten mit COPD sollte nach Ansicht der niederländischen Studienautoren Anstoß sein, über Möglichkeiten eines besseren Screenings bei dieser großen Patientengruppe nachzudenken. Den Weg, alle älteren Patienten mit COPD routinemäßig einer echokardiographischen Abklärung zum Nachweis oder Ausschluß einer kardialen Pumpfunktionsstörung zu unterziehen, halten sie allerdings für nicht gangbar.

Test auf BNP und NT-pro-BNP könnte Diagnose verbessern

Als hilfreich könnten sich jedoch leichter anwendbare Tests wie die Bestimmung natriuretischer Peptide (BNP, NT-pro-BNP) erweisen. Diese Tests haben unter anderem in Studien bei Patienten mit Lungenerkrankungen und akuter Atemnot schon nützliche diagnostische Hilfe bei der Erkennung von Herzinsuffizienz geleistet. Welche diagnostischen Informationen von diesen kommerziell verfügbaren Tests bei stabiler COPD über die Standarddiagnostik hinaus erwartet werden können, muß aber noch genauer untersucht werden.

Dies zu tun beabsichtigen die niederländischen Forscher in weiteren Untersuchungen und haben deshalb vorsorglich Blutproben von allen Studienteilnehmern zur Messung der natriuretischen Peptide konserviert. Daten sind allerdings noch nicht verfügbar.



FAZIT

Jeder fünfte ältere Patient mit der Diagnose einer stabilen COPD hatte in einer aktuellen Studie entweder zusätzlich oder statt der Lungenerkrankung eine chronische Herzinsuffizienz. Diese bei Patienten aus Praxen niedergelassener Ärzte gemachten Erfahrungen sprechen dafür, bei der Differentialdiagnostik immer auch die Möglichkeit kardialer Ursachen zu berücksichtigen.

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