HINTERGRUND

Ein einmaliger Gesundheits- und Belastungstest reicht oft aus, wenn Diabetiker Sportler werden wollen

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Zuschuß für spezielle Einlagen und Sportschuhe

Speziell angefertigte Schuhe für Diabetiker (Diabetes-adaptierte Fußbettung) sind nach Auskunft der AOK Frankfurt/Main nach Kostenvoranschlag zuschußfähig, wenn gleichzeitig eine der folgenden Diagnosen besteht: Polyneuropathie, Angiopathie, Ulkus, Gangrän, Fuß-Teilamputation. Liegt eine ärztliche Bescheinigung vor, daß aus therapeutischen Gründen Sport zu machen ist, werden auch Sportschuhe bezuschußt.

Patienten zahlen einen Eigenanteil von 76 Euro, bei Sportschuhen von 40 Euro, plus jeweils die gesetzliche Zuzahlung von 10 Euro pro Paar.

Kaufen sich Diabetiker handelsübliche Sportschuhe, sind aber dafür spezielle Einlagen nötig, wird nach Angaben der AOK nur die gesetzliche Zuzahlung von 10 Euro fällig. (eb)

Die Empfehlung an Diabetiker, regelmäßig Sport zu treiben, erklärt sich vor allen Dingen aus den positiven Auswirkungen, die sportliche Aktivität auf Herzkreislauf-System und Stoffwechsel hat. Wie man als behandelnder Arzt die Empfehlung beim einzelnen Diabetiker umsetzen kann, dazu sind in der Zeitschrift "The Physician and Sportsmedicine" konkrete Hinweise erschienen. Aufgaben des Arztes sind die

  • klinische Beurteilung des Gesundheitszustandes vor Beginn der sportlichen Aktivitäten,
  • die Beratung bei der Auswahl geeigneter Sportarten, sowie
  • die Begleitung des Patienten, zumindest in der Sport-Anfangsphase, schreiben Dr. Richard Birrer und Dr. Krishna V. Bhaskarabhatla aus Paterson in New Jersey (Physician and Sportsmedicine 32, 2004, Nr. 1). Birrer und Bhaskarabhatla konzentrieren sich dabei auf Typ-2-Diabetiker.

Bei Diabetes-Spätschäden ist ein Belastungstest ratsam

Wichtig bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes ist zu klären, ob schon mikro- und makrovaskuläre Spätschäden vorliegen. Außer auf den Allgemeinzustand sollte daher speziell Wert gelegt werden auf die kardiologische, neurologische und augenärztliche Untersuchung.

Einen Belastungstest auf dem Ergometer empfehlen die Sportmediziner allen Patienten, die älter als 35 Jahre sind, die bereits seit mehr als zehn Jahren erkrankt sind, sowie denen, die schon Spätschäden haben. Wichtige Laborparameter sind außer dem Nüchtern-Blutzucker auch der HbA1c, die Nierenwerte sowie im Urin der Test auf Albuminurie, Azeton und Glukose.

Patienten mit arterieller Verschlußkrankheit sollten darauf hingewiesen werden, Verletzungen an den Füßen zu vermeiden. Eine Gangrän kann sonst die Folge sein. Liegt zusätzlich noch eine periphere Polyneuropathie vor, besteht die Gefahr, daß die Patienten Verletzungen gar nicht bemerken. Diabetiker mit autonomer Neuropathie haben unter Belastung ein vermindertes Herzminutenvolumen, wahrscheinlich aufgrund eines reduzierten Sympathikotonus. Außerdem kann es, im Unterschied zu Gesunden, beim Sport zum Blutdruckabfall kommen.

Kontraindiziert ist Sport für Diabetiker mit proliferativer Retinopathie - es kann zu präretinalen oder Glaskörperblutungen kommen - und, wie es auch für Nicht-Diabetiker gilt, bei einem akuten Infekt. Auch eine bestehende Nephropathie kann sich verschlechtern (Behrmann, Weineck: Diabetes und Sport, Spitta-Verlag).

Optimal ist, wenn täglich trainiert wird

Geeignet sind vor allem Ausdauersportarten. Die Belastung sollte außerdem exakt dosierbar, die Belastungsintensität gut reproduzierbar sein.

Dies gilt etwa für Dauerlauf, zügiges Spazierengehen (Walking), Bergwandern, Skilanglauf, Schwimmen, Radfahren oder Rudern. Tanzen oder bestimmte Mannschaftssportarten können sehr motivierend sein. Am besten ist ein tägliches, mindestens zehnminütiges Training. Vorteil des täglichen Trainings ist, daß die Diabetes-Therapie besser angepaßt werden kann als wenn nur zwei- bis dreimal wöchentlich trainiert wird.

Die Belastung sollte moderat sein. Von dem zuvor ermittelten Maximalpuls sollten dabei 60 bis 70 Prozent erreicht werden. Andere Empfehlungen lauten "Pulsfrequenz von 180 minus Lebensalter in Jahren" sowie bei jungen Patienten "200 minus Lebensalter". Dies kann etwa mit einer Pulsuhr kontrolliert werden.

Vor allem Patienten, die auf Sulfonylharnstoffe oder Insulin eingestellt sind, sollten vor dem Sport den Blutzucker messen. Bei einem Wert von weniger als 100 mg/dl macht ein Snack vor Sportbeginn Sinn. Während der Belastung muß genug getrunken werden, um Wasserverlust durch Schwitzen auszugleichen.

Vor allem für Sport-Neulinge oder bei bereits bestehenden Spätschäden ist eine engmaschige Supervision angebracht. Die meisten Diabetiker jedoch, so die Erfahrung der US-Kollegen, benötigen keine besondere Betreuung, wenn der initiale Gesundheits- und Belastungscheck absolviert ist.



STICHWORT

Sport und Diabetes

Das bewirkt Sport bei Glukosestoffwechsel-Störungen in der prädiabetischen Phase:

- Diabetes wird verhindert, - langfristig sinkt der Blutzucker-Spiegel, - der basale und Glukose-stimulierte Serum-Insulinspiegel wird vermindert, - die Insulin-Sensitivität wird besser, - das Körpergewicht nimmt ab, - der Fettstoffwechsel wird besser, - die Gefäßendothel-Funktion wird durch vermehrte NO-Synthese verbessert. (ner)

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Ratgeber für Menschen mit Polyneuropathie

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