Trotz höherer Risikoprävalenz

Krebsüberlebende nach Infarkt oft untertherapiert

Patienten mit akutem Herzinfarkt, die eine Krebsdiagnose in ihrer Anamnese stehen haben, erhalten seltener eine leitliniengerechte Therapie. Laut Ergebnissen einer Schweizer Studie wirkt sich das auf die Mortalität aus.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Fast jeder fünfte Krebsüberlebende, der nicht an seinem Tumor stirbt, erliegt einem Herzinfarkt. (Symbolbild mit Fotomodell)

Fast jeder fünfte Krebsüberlebende, der nicht an seinem Tumor stirbt, erliegt einem Herzinfarkt. (Symbolbild mit Fotomodell)

© Andy Dean / stock.adobe.com

ZÜRICH. Die Sterblichkeit aus nicht tumorbedingter Ursache liegt bei Krebspatienten höher als in der Allgemeinpopulation. Die Steigerung liegt laut Daten in der Literatur zwischen 9 Prozent für Brust- und Darmkrebs und 173 Prozent für Lungenkrebs. Spitzenreiter sind dabei Herzinfarkte, ihnen erliegt fast jeder fünfte Krebspatient, der nicht an seinem Tumor stirbt. Weitere knapp 14 Prozent sterben an einer anderen chronischen ischämischen Herzkrankheit.

Zum Teil geht das relativ hohe kardiovaskuläre Risiko von Krebspatienten auf die Krebstherapie zurück, etwa auf eine Hormontherapie von Patienten mit Prostatakrebs, auf den Einsatz von kardiotoxischen Chemotherapien oder auf eine Radiatio des Brustkorbs. Generell sind einschlägige Risikofaktoren fürs Herz, vom Rauchen abgesehen, bei Krebspatienten verbreiteter als unter der Bevölkerung allgemein.

Leitliniengerechte Therapie ist selten

Schweizer Mediziner um Dr. Sabine Rohrmann von der Universität Zürich haben sich die Frage gestellt, wie diese gefährdete Patientengruppe im Fall eines akuten Herzinfarktes behandelt wird. Sie stellten fest: Eine leitliniengerechte Infarkttherapie findet oft nicht statt (Eur Heart J Acute Cardiovasc Care 2017; online 19. September).


Dr. Sabine Rohrmann und Kollegen, Universität Zürich

Rohrmann und ihre Kollegen hatten die Daten von mehr als 35.000 Herzinfarktpatienten analysiert, von denen knapp 2000 (5,6 Prozent) eine Krebserkrankung in der Vorgeschichte hatten. Über 70 Prozent in beiden Gruppen waren Männer. Die Schweizer Forscher glichen nach Faktoren ab, welche die Wahrscheinlichkeit beeinflussen können, ob ein Patient eine bestimmte Therapie erhält: nach Alter, Geschlecht, Killip-Klasse > 2, ST-Hebungsinfarkt und Nierenerkrankung.

Höhere Kliniksterblichkeit

Unterschiede zwischen Infarktpatienten mit und ohne Krebsanamnese, die das Vorliegen von einem Infarkt in der Anamnese, von Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder zerebrovaskulären Erkrankungen betrafen, verschwanden daraufhin. Doch Krebspatienten wurden seltener einer perkutanen Koronarintervention unterzogen, das Chancenverhältnis lag 24 Prozent niedriger als bei den Patienten ohne Krebs (Odds Ratio [OR] 0,76). Sie bekamen weniger oft einen P2Y12-Blocker (OR 0,82) und Statine (OR 0,87).

Komplikationen trafen Krebspatienten nach einem Infarkt häufiger: +44 Prozent für kardiogenen Schock, +47 Prozent für Blutungen und +67 Prozent für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Die Krankenhaussterblichkeit der Infarktpatienten mit Krebs lag bei 10,7 Prozent im Vergleich zu 7,6 Prozent in der Vergleichsgruppe, also um mehr als 40 Prozent höher.

"Krebsüberlebende erhalten nach einem Infarkt weniger Soforttherapie, sie entwickeln mehr Komplikationen und haben eine höhere Kliniksterblichkeit", bilanzieren Rohrmann und Mitarbeiter ihre Ergebnisse. In künftigen Untersuchungen wäre zu klären, ob diese Differenzen krebsart- und stadienspezifisch sind oder ob Krebsüberlebende allgemein anders behandelt werden als Infarktpatienten ohne Krebs.

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