Zerkarien bohren sich beim Baden in die Haut

Kommt der Sommer, kommen auch die Zerkarien. In deutschen Seen schwärmen sie jetzt wieder aus. Bei wiederholtem Befall lösen sie oft eine lästige, mitunter sogar gefährliche Badedermatitis aus.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Wer im See badet, muss mit Juckreiz rechnen.

Wer im See badet, muss mit Juckreiz rechnen.

© Foto: Benicce@www.fotolia.de

Erythematöse, ödematöse Quaddeln, die extrem jucken und die dann in kleine, derbe Papeln übergehen - im Sommer können Patienten mit diesen Symptomen in die Praxis kommen. Meist erzählen sie schon selbst, dass der Hautausschlag nach dem Schwimmen im Badesee aufgetaucht ist, und dann handelt es sich in der Regel um eine Bade- oder Zerkariendermatitis, bekannt auch unter den Namen Vogel-Bilharziose, Hundsblattern, Entenflöhe sowie Wasser- oder Weiherhippeln.

Die Erreger verwechseln Menschen mit Wasservögeln

Die Badedermatitis wird in Mitteleuropa durch die Larven (Zerkarien) von Saugwürmern (Schistosomen) der Gattung Trichobilharzia hervorgerufen, die im Wasser nach ihren Wirten suchen. Endwirte sind eigentlich Wasservögel, vor allem Enten. Die Zerkarien dringen normalerweise in die Haut der Vögel ein, meist im Bereich der Schwimmhäute, und entwickeln sich in den Tieren zu adulten Würmern. Die Wasservögel bringen die Schistosomen-Eier mit ihrem Kot ins Wasser. Hier schlüpfen die ersten Larven. Sie brauchen nun Süßwasserschnecken (meist der Gattung Lymnaea) als Zwischenwirt, wo sie sich zu Gabelschwanz-Zerkarien entwickeln. Bei Wassertemperaturen über 20 Grad schwärmen sie aus den Schnecken ins Wasser aus, um wiederum Wasservögel zu befallen. Die Zerkarien können zwei bis drei Tage im Wasser überleben. Sie halten sich vor allem an der Wasseroberfläche auf. Bei optimalen Wassertemperaturen dauert dieser ganze Entwicklungszyklus etwa 90 bis 100 Tage.

Es juckt viel stärker als nach einem Mückenstich.

Der Mensch ist ein Fehlwirt im Kreislauf zwischen Wasserschnecke und Wasservogel, so Dr. Siegfried Borelli aus Zürich (Dermatologie Praxis 3, 2009, 10). Die infektiösen Larven bohren sich statt in die Haut von Enten in die von Menschen. Hier sterben sie aber ab. Zehn Minuten nach dem Kontakt setzt ein Prickeln oder ein leichtes Jucken ein. An den Stellen, an denen die Larven eingedrungen sind, erscheinen etwa zwei Millimeter große gerötete Flecken. Nur bei wiederholtem Zerkarienbefall kommt es zur eigentlichen Dermatitis. Die Badedermatitis sei daher ein "Sensibilisationsphänomen". 10 bis 25 Stunden nach dem Eindringen der Zerkarien bekommen sensibilisierte Menschen 3 bis 8 mm große Quaddeln. Am unangenehmsten ist das Jucken, das sehr viel stärker ist als nach einem Mückenstich. Die Quaddeln gehen nach Abklingen des Juckreizes in kleine, derbe Papeln über. Im Verlauf von 10 bis 20 Tagen heilen sie ohne Folgen ab.

Bei hypersensibilisierten Patienten kann es allerdings zu Fieber und Schockzuständen kommen. Werden die Quaddeln aufgekratzt, sind Sekundärinfektionen möglich.

Typische Quaddeln bei Zerkarienbefall.

Typische Quaddeln bei Zerkarienbefall.

© Foto: Dr. Siegfried Borelli

Therapie mit Steroiden und Antihistaminika

Eine ätiologische Therapie bei Zerkariendermatitis gibt es nicht. Es bleibt nur die symptomatische Behandlung mit Lokalsteroiden und die systemische mit Antihistaminika.

Bilharziose und Zerkarien - da denkt man eigentlich an die Tropen. Doch: "In Deutschland wie im Rest der Welt finden sich Zerkarien in stehenden Gewässern", so Borelli zur "Ärzte Zeitung". In Südwestdeutschland und Schleswig-Holstein zum Beispiel gibt es ein Risiko. Hier werden Badende über die Badedermatitis durch Zerkarien aufgeklärt. Aber Zerkarien gibt es nicht nur in Badeseen. "Ich selbst habe 2004 eine Patientin gesehen, die eine Zerkariose aus dem eigenen Schwimmteich erworben hatte", erzählt der Schweizer Dermatologe. "In diesem Schwimmteich, einer Art Kreuzung aus Feuchtbiotop und Schwimmbecken mit biologischer Selbstreinigung, wurden die Schnecken, die als Zwischenwirt fungieren, mit Absicht zur Reinigung des Wassers eingesetzt." Auch in Aquarien werden die Schnecken benutzt. Zerkariendermatitis nach Kontakt mit Schnecken in Aquarien sei auch beschrieben worden, so Borelli.

Für ihn das Wichtigste ist die Aufklärung. Borelli rät, bei ausreichend warmen Wassertemperaturen vor allem die Uferzonen zu meiden, wo sich die Wasserschnecken aufhalten.

Die Hauptschwärmzeit der Zerkarien beginnt mit der Badesaison im Frühsommer und dauert etwa eine Woche. Im Spätsommer gibt es einen zweiten Höhepunkt. Besonders nach Schönwetterperioden kommt es dann gehäuft zu Badedermatitiden.

Eine genaue Vorhersage ist wegen des komplizierten Entwicklungszyklus der Schistosomen nicht möglich. Die Larven sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. So wird der Befall von Badeseen erst bekannt, wenn die ersten Dermatitis-Fälle aufgetreten sind. Dann werden meist Hinweisschilder aufgestellt. Da es bisher noch keine wirksamen, ökologisch vertretbaren Methoden gibt, die Tiere zu bekämpfen, bleibt nur, die Warnhinweise ernst zu nehmen.

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