Ende September soll die Massenimpfung gegen die Schweinegrippe starten. Medizinisches Personal, chronisch kranke Patienten und Schwangere stehen ganz oben auf der Liste der Impflinge.

Von Philipp Grätzel von Grätz

BERLIN. "So wie die Neue Grippe im Moment verläuft, wäre es aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt, die ganze Bevölkerung zu impfen", betonte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Johannes Löwer, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Bleiben die Krankheitsverläufe in der Mehrzahl milde, wird die Impfung gegen die Schweinegrippe deswegen - ähnlich wie bei der Impfung gegen die saisonale Grippe - zunächst für Risikogruppen angeboten.

Deutschland übernimmt Impfempfehlung der WHO

Zur Frage, wer bei H1N1 ein erhöhtes Risiko hat, gibt es Daten der WHO. "Die Bundesrepublik hat sich der WHO-Einschätzung angeschlossen und sie auch zur Grundlage der Impfstoffbestellung gemacht", so Löwer. Wichtig: Die Risikogruppen für die H1N1-Grippe und die Risikogruppen für die saisonale Grippe sind nicht deckungsgleich.

Nach WHO-Daten gibt es drei Gruppen von Menschen, für die die pandemische H1N1-Influenza besonders problematisch sein kann. Das sind zum einen Angehörige des Gesundheitswesens. Sie haben unter Umständen engen Kontakt zu Erkrankten. "Außerdem muss das Gesundheitswesen natürlich auch während einer Pandemie weiter funktionieren", so Löwer. Angehörige des Gesundheitswesens sollen deswegen bevorzugt geimpft werden, empfiehlt die WHO.

Die zweite besonders gefährdete Gruppe, der die Pandemie-Impfung ab September empfohlen werden soll, sind chronisch kranke Menschen, also etwa Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, COPD oder Diabetes. "Anders als sonst gehören bei der H1N1-Grippe aber auch adipöse Menschen in diese Kategorie. Denn bei ihnen treten ebenfalls gehäuft schwere Verläufe und Todesfälle auf", betont Löwer.

Die dritte Risikogruppe schließlich sind Schwangere. In einer aktuellen Untersuchung aus den USA waren sechs Schwangere unter 45 Jahren mit H1N1-Infektionen assoziierten Todesfällen innerhalb von zwei Monaten. "Auch bei zwei großen Grippe-Pandemien des 20. Jahrhunderts im Jahr 1918 und im Jahr 1957 waren die Verläufe bei schwangeren Frauen besonders schwer", so Löwer. Bei der saisonalen Grippe gibt es diesen klaren Zusammenhang nicht.

Über alle Risikogruppen hinweg gilt, dass junge Menschen gefährdeter sind als alte Menschen - auch das ein deutlicher Unterschied zur saisonalen Grippe, wo es genau umgekehrt ist. "Das mediane Erkrankungsalter liegt derzeit bei 17 Jahren. Das mediane Alter bei Krankenhauseinweisung beträgt 27 Jahre. Und der Median bei den Todesfällen liegt bei 37 Jahren", so Löwer. Innerhalb der Risikogruppen ist die Impfung deswegen umso wichtiger, je jünger die Betroffenen sind - immer vorausgesetzt, die Schweinegrippe behält ihre aktuellen Charakteristika bei.

Ein gewisses Dilemma sieht Löwer bei der Impfung von schwangeren Frauen: "Es ist klar, dass die Impfstoffe aus ethischen Gründen nicht bei Schwangeren untersucht werden." Trotzdem hält er eine Impfung von Schwangeren wegen des etwa viermal höheren Risikos für Krankenhauseinweisungen für sinnvoll.

Dafür, dass die H1N1-Impfung für Schwangere sicher sein dürfte, sprechen drei Gründe: Zum einen handelt es sich um einen inaktivierten Impfstoff ohne vermehrungsfähige Viren. Zum zweiten wird die saisonale Grippe-Impfung von Schwangeren ausgezeichnet vertragen. Und zum dritten ähneln die für die H1N1-Impfung eingesetzten Adjuvanzien jenen bei anderen weit verbreiteten Impfstoffen, die sich in Postmarketingstudien als unbedenklich bei Schwangeren erwiesen haben, darunter die HPV-Impfung.

Schwangere erst impfen ab dem 2. Trimenon?

Denkbar sei, Schwangeren vorsichtshalber erst ab dem zweiten Trimenon die Impfung zu empfehlen. Das würde auch zu den bisherigen Daten passen, wonach schwere H1N1-Verläufe eher in der fortgeschrittenen Schwangerschaft beobachtet wurden. "Was ich auf jeden Fall für sinnvoll halte, ist eine Impfung bei geplanter Schwangerschaft", so Löwer. Der Experte betonte, dass es für Deutschland derzeit noch keine offizielle Impfempfehlung für die genannten Risikogruppen gibt. Wie andere Details zur anstehenden Impfaktion dürfte das erst in einigen Wochen so weit sein.

Lesen Sie dazu auch: Was ist dran an Berichten über GBS durchs Impfen? Kassen gehen auf Distanz zu ihrem Spitzenverband

Weitere aktuelle Berichte, Bilder und Links zum Thema Schweinegrippe (Mexikanische Grippe) finden Sie auf unserer Sonderseite

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert