Hintergrund

Das Penicillin gegen den Krebs wird es nicht geben

Forscher sind sich einig: Die Heilungschancen bei Krebs haben sich in den letzten Dekaden erheblich verbessert.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Heilungschancen bei Krebs haben sich verbessert.

Heilungschancen bei Krebs haben sich verbessert.

© Photo 2000 / imago

"Wir werden nicht das ‚Penicillin gegen den Krebs‘ bekommen, aber durch intelligente Kombinationen verschiedener Therapeutika den Krebs immer besser als chronische Krankheit führen können." Das prognostizierte der Chef des Heidelberger Krebsforschungszentrums, Professor Otmar Wiestler im Gespräch mit dem SWR-Wissenschaftsjournalisten Werner Eckert beim "Life Science Dialogue" in Heidelberg.

Die Heilungschancen bei Krebs haben sich Wiestler zufolge in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Lebte in den 70er Jahren nur jeder vierte Patient mit seiner Krankheit so lange wie Gesunde, so sei es heute bereits jeder zweite.

Die Krebsforschung sieht der DKFZ-Chef derzeit in einer "unglaublich spannenden Phase" mit neuen Diagnose-, Therapie- und Präventionsmöglichkeiten. Nach seinen Angaben existieren zwei Herausforderungen: "Wir müssen bessere, gezieltere Therapien entwickeln und die Prävention verbessern."

Denn immer noch werde jede zweite Krebserkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt, und fast jeder zweite Krebspatient sterbe an den Folgen der Erkrankung.

In einer gezielten Prävention und Behandlung auf der Grundlage einer Erbgutanalyse sieht Wiestler "ein Riesenpotenzial" für die Zukunft im Kampf gegen Krebs, wie er auf der Veranstaltung der Dr. Rainer Wild-Stiftung ausführte.

Wer seine Risiken genau kenne, könne sich entsprechend verhalten, um eine Erkrankung möglicherweise zu verhindern oder zumindest früher zu entdecken. Ermutigendes Beispiel hierfür: Die Vorsorgekoloskopie führte nach einer DKFZ-Studie dazu, dass in den vergangenen neun Jahren 70.000 bis 80.000 Darmkrebsfälle verhindert werden konnten.

Liegt bereits eine Krebserkrankung vor, so lasse die Analyse der Erbgutveränderungen im Tumorgewebe künftig eine Aussage darüber zu, welche individuelle Therapie "Herr Müller oder Herr Meier benötigt", prognostizierte Wiestler.

Auch heute schon seien viele Risiken für Krebs bekannt, etwa das Rauchen, Alkohol, zu starke Sonnenlichtexposition und radioaktive Strahlung. Dass Ernährungsfaktoren eine wesentliche Rolle spielten, sei ebenfalls unbestritten, dies wisse man aus epidemiologischen Studien.

Immer mehr Bedeutung wird Wiestler zufolge das metabolische Syndrom für die Krebsentstehung bekommen. "Epidemiologische Erhebungen zeigen uns sehr deutlich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem gesamten Komplex mit Übergewicht, tiefgreifenden Stoffwechselstörungen und Diabetes mellitus und der Verursachung bestimmter Krebsarten."

Dies betreffe vor allem Pankreas-, Magen-, Brust-, Darm- und Prostatakrebs. Welche Mechanismen hier bedeutsam sind, ob das metabolische Syndrom in den Hormonhaushalt eingreift oder andere Signalwege nutzt, damit es zu Krebs kommt, wisse man noch nicht.

Die oft gestellte Frage, ob eine bestimmte Ernährung nun zu Krebs führe oder davor schütze, sei indes nicht zu beantworten. Denn über einzelne Inhaltsstoffe in der Ernährung, die krebsfördernd oder -protektiv wirken, wisse man trotz großer Forschungsanstrengungen noch nichts Konkretes.

So sind dem DKFZ-Leiter auch Aussagen wie "Brokkoli gegen Krebs" oder "Grüner Tee schützt vor Krebs" ein Dorn im Auge. Er hält es vor allem für naiv und gefährlich, bestimmte Krebsdiäten zu propagieren: "Das halte ich schlicht für Scharlatanerie." Sein Rezept: Eine gesunde ausgewogene Ernährung sei in jedem Fall gut - und das nicht nur zur Krebsvorbeugung.

Die Dr. Rainer Wild-Stiftung hat der Heidelberger Lebensmittelunternehmer Professor Rainer Wild 1991 gegründet. Die Stiftung versteht sich als Kompetenzzentrum und als Ansprechpartner für Experten, Wissenschaftler und Multiplikatoren. In dem 2010 begründeten Life Science Dialogue Heidelberg diskutieren Experten Entwicklungen in der Medizin.

www.dkfz.de www.gesunde-ernaehrung.org/de

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hoffnungsvoller Aufschwung

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