Mythen weit verbreitet

Viele falsche Vorstellungen, was Krebs verursacht

Stress, Handystrahlen und Trinken aus Plastikflaschen lösen Krebs aus, denken viele fälschlicherweise. Die tatsächlichen Risikofaktoren kennt indes nur jeder Zweite, wie eine Befragung ergab.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Diagnose Krebs: Viele Menschen wissen nicht richtig über die tatsächlichen Krebsrisikofaktoren Bescheid.

Diagnose Krebs: Viele Menschen wissen nicht richtig über die tatsächlichen Krebsrisikofaktoren Bescheid.

© Marco2811 / stock.adobe.com

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie verbreitet sind Wissen und Mythen zum Krebsrisiko?

Antwort: In einer repräsentativen britischen Umfrage wurden 53 Prozent der tatsächlichen Krebsrisiken, aber nur 36 Prozent der Krebsmythen richtig erkannt.

Bedeutung: Das Wissen über Krebsursachen in der Bevölkerung ist recht gering, dies könnte die Prävention erschweren.

Einschränkung: Die Resultate hängen stark von der Befragungsmethodik ab.

LONDON. Wie viele Krebserkrankungen durch Verhaltensänderungen vermeidbar wären, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen.

Untersuchungen deuten auf einen Anteil von 30 bis 50 Prozent aller Krebsfälle, die nicht auftreten würden, gelänge es der Bevölkerung, komplett aufs Rauchen zu verzichten, nicht übermäßig viel Alkohol zu trinken, es beim Sonnenbaden nicht zu übertreiben, gesund zu essen, sich genug zu bewegen und das Gewicht im Normbereich zu halten.

Ohne solche Risikofaktoren würden allein in Deutschland im Jahr 2018 rund 165.000 Menschen weniger an Krebs erkranken, schätzen etwa Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

Eine Änderung des Verhaltens sei aber nur möglich, wenn das Wissen über Krebsrisikofaktoren verbreitet ist, schreiben Verhaltensforscher um Lion Shahab vom University College in London.

Neben mangelndem Wissen könnten auch falsche Vorstellungen die Krebsprävention untergraben. Wer an Krebs durch Elektrosmog glaubt, hält möglicherweise nicht viel davon, dass eine HPV-Impfung Tumoren vermeiden kann.

Während das Wissen um tatsächliche Krebsrisikofaktoren in Umfragen immer mal wieder erhoben werde, sei recht wenig über die Verbreitung von Krebsmythen bekannt.

Die Forscher um Shahab haben daher eine repräsentative britische Umfrage im Jahr 2016 dazu genutzt, um gezielt nach solchen Mythen zu fragen (European Journal of Cancer 2018; 1e9).

Nur ein Drittel der Krebsmythen korrekt erkannt

Für den "Attitudes and Beliefs about Cancer-UK Survey" (ABACUS) waren 1330 Briten im mittleren Alter von 43 Jahren mit validierten Instrumenten befragt worden.

Zum einen sollten sie im persönlichen Gespräch elf Krebsrisikofaktoren korrekt erkennen. Dazu zählten Rauchen, Alkoholkonsum, geringer Obstverzehr, hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch, Übergewicht, wenig Bewegung, Sonnenbrände, Alter über 70 Jahre, HPV-Infekte sowie nahe Verwandte mit Krebs.

Ebenso sollten sie zwölf Krebsmythen identifizieren, etwa Trinken aus Plastikflaschen, Süßstoffe, genveränderte Nahrung, Lebensmittelzusatzstoffe, Essen aus der Mikrowelle, Stress, Elektrosmog, Handystrahlung oder Reinigungsmittel.

Die Teilnehmer wurden also gefragt, ob sie glauben, dass die genannten Faktoren Krebs verursachen. Zudem lieferten sie eine Reihe soziodemografischer Angaben.

Wie sich zeigte, erkannten die Teilnehmer im Schnitt 53 Prozent der tatsächlichen Krebsrisikofaktoren, dagegen wurden nur 36 Prozent der Krebsmythen als solche identifiziert. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Bevölkerung fast die Hälfte der Krebsrisikofaktoren nicht kennt, stattdessen aber an einen Großteil der weit verbreiteten Krebsmythen glaubt.

Auffällig war, dass die Teilnehmer kaum zwischen tatsächlichen und vermeintlichen Risikofaktoren differenzierten. Wer die tatsächlichen Risikofaktoren gut erkannte, hielt auch die Mythen für real, umgekehrt galt, wer nichts von den wissenschaftlich belegten Risikofaktoren hielt, der glaubte auch nicht an die unbelegten.

Viele Teilnehmer gingen also davon aus, dass so ziemlich alle oder aber fast keine der genannten Faktoren das Krebsrisiko beeinflussen.

Sozioökonomische Lücke

Immerhin waren sich die meisten beim Rauchen einig: 88 Prozent hielten aktives und 80 Prozent passives Rauchen für ein Risiko. Am unteren Ende standen HPV und wenig Obst mit jeweils 30 Prozent Zustimmung.

An Krebs durch Stress glaubten immerhin 43 Prozent, nicht viel weniger (42 Prozent) waren auch davon überzeugt, dass Additive in der Nahrung einen Beitrag zur Krebsentstehung leisten.

35 Prozent hielten Elektrosmog und 34 Prozent genveränderte Nahrungsmittel für kanzerogen. Jeder Fünfte war zudem überzeugt, dass Mikrowellenstrahlung das Essen zu einem Krebsrisiko macht, jeder siebte hielt Getränke aus Plastikflaschen für gefährlich.

Die tatsächlichen Krebsrisikofaktoren wurden am besten von weißen, gebildeten Nichtrauchern mit gesunder Ernährung erkannt – diese glaubten allerdings auch vermehrt an die Krebsmythen.

Dagegen wurden die meisten Krebsmythen von jungen Männern mit ungesundem Lebensstil korrekt identifiziert – diese hielten jedoch oft auch die tatsächlichen Risiken für Mythen.

Frauen erkannten die tatsächlichen Risikofaktoren besser als Männer, glaubten aber auch häufiger an die Mythen.

Männer schnitten besser ab als Frauen

Über sämtliche Fragen hinweg schnitten Männer geringfügig besser ab als Frauen, Kaukasier deutlich besser als andere Ethnien, solche mit gesundem Lebensstil etwas besser als ungesund lebende und Teilnehmer mit hoher Bildung oder hohem sozioökonomischem Status moderat besser als Arme und Ungebildete.

Der Glaube an Krebsmythen sei in dieser Untersuchung deutlich größer gewesen als in früheren Befragungen. Solche Mythen würden sich möglicherweise stärker und schneller verbreiten als das Wissen um die tatsächlichen Risiken, welches die Forscher um Shahab als noch immer "erschreckend gering" bezeichnen.

So hätten nur 60 Prozent Adipositas als Krebsrisiko erkannt, obwohl dies der zweitwichtigste vermeidbare Risikofaktor sei.

Auffallend sei auch der sozioökonomische Unterschied beim Wissen über Krebsrisiken. Die Gesellschaft sollte darauf achten, dass sich diese Lücke nicht weiter öffne und spezielle, vereinfachte Kommunikationsmittel verwenden, um auch weniger gebildete und prekär lebende Menschen zu erreichen, schreiben die Forscher.

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