Nach Brustkrebs

Warum erwägt jede zweite Frau eine kontralaterale Mastektomie?

Nach einer Brustkrebs-Op überlegen viele Frauen, sich die kontralaterale Brust entfernen zu lassen, um einer weiteren Tumorerkrankung vorzubeugen. So das Ergebnis einer US-Studie. Das gilt auch für Patientinnen ohne spezifisch erhöhtes Risiko. Was sind die Gründe?

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Fast jede zweite Mastektomie aufgrund einer Krebserkrankung hat in den USA vorbeugenden Charakter.

Fast jede zweite Mastektomie aufgrund einer Krebserkrankung hat in den USA vorbeugenden Charakter.

© fux / stock.adobe.com

ANN ARBOR. Nach Diagnose und Therapie eines Frühkarzinoms der Brust erwägen gut 50 Prozent der Patientinnen, sich die gesunde zweite Brust abnehmen zu lassen, um ihr Krebsrisiko zu senken. Laut Ergebnissen einer Studie an der University of Michigan in Ann Arbor, an der sich fast 2400 Frauen mit frühem Brustkrebs (maximal Stadium II, Tumordurchmesser < 5 cm) beteiligt haben, beschäftigen sich 25 Prozent der Frauen intensiv oder sehr intensiv mit dem Thema. Für weitere 29 Prozent ist die kontralaterale Mastektomie immerhin eine Überlegung wert (Cancer 2017, online 15. August).

Die Frauen gaben an, eher rational als intuitiv zu entscheiden. Als entscheidungsleitende Motive wurden am häufigsten Sorgen wegen einer Wiederkehr des Krebses (82 Prozent), das Vermeiden weiterer Folgeoperationen (73 Prozent), der Wunsch nach einer Behandlung auf neuestem Stand (69 Prozent) und die Vermeidung von unerwünschten Nebeneffekten (67 Prozent) genannt.

Stark in Betracht zogen die prophylaktische kontralaterale Brustentfernung vor allem Frauen, die sich über ein Rezidiv sorgten oder eine Bestrahlung vermeiden wollten. Auch Frauen, die ihre Entscheidungen selbst zu fällen pflegten, beschäftigten sich sehr mit einer vorbeugenden Mastektomie – übrigens eine Minderheit, denn 59 Prozent der Patientinnen gaben an, es sei ihnen lieber, ihre Ärzte würden ihnen sagen, was zu tun sei.

Frauen, die sich als logisch denkend bezeichneten oder großen Wert auf den Brusterhalt legten, beschäftigten sich weniger mit der vorsorglichen Amputation.

Nutzen versus Risiko

In den Vereinigten Staaten entscheiden sich inzwischen mehr als 20 Prozent der Frauen für eine prophylaktische kontralaterale Mastektomie, obwohl sie kein erhöhtes Risiko für ein Zweitkarzinom aufweisen. Fast jede zweite Mastektomie aufgrund einer Krebserkrankung hat dort vorbeugenden Charakter. In Abwesenheit genetischer Risiken verlängert die präventive Operation das Leben laut Daten aus der Literatur aber nur marginal. Manche Experten halten indessen dafür, der Eingriff könne zum Seelenfrieden beitragen. Patientinnen, die sich dazu entschlossen hätten, seien im Allgemeinen mit dem Ergebnis sehr zufrieden – und überhaupt müssten die Frauen selbst wissen, was für sie richtig sei.

Zahlen zur prophylaktischen Mastektomie in Deutschland sind rar gesät und überdies auf Patientinnen mit hohem Risiko fokussiert. Das Harding-Zentrum für Risikokompetenz des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung hat vor ein paar Jahren Daten dazu publiziert. Anlass war die aufsehenerregende beidseitige prophylaktische Mastektomie, die der Filmstar Angelina Jolie damals hatte vornehmen lassen. Demnach lag der Anteil der präventiven Brustentfernungen an allen Mast- und Lumpektomien im Jahr 2011 bei 2 Prozent. Von den Hochrisikopatientinnen entschied sich jede vierte für diese Maßnahme. Die Max-Planck-Forscher rechneten aus, dass 25 Frauen mit hohem Risiko sich einer prophylaktischen Mastektomie unterziehen müssten, um einer das Leben zu retten.

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