Interview

PSA-Test: "Das Thema ist noch nicht vom Tisch!"

Für Professor Peter Albers, Präsident des Krebs kongresses in Berlin, ist das Thema PSA-Screening beim Prostata-Ca auch nach Publikation großer Studien ein Dauerbrenner. "Wir haben einfach mit den jetzt verfügbaren Methoden eine viel zu hohe Rate an Überdiagnostik und Über therapie", sagt der Spezialist für urologische Onkologie.

Veröffentlicht:

Professor Peter Albers

Aktuelle Position: Direktor der Urologischen Klinik am Universitätsklinikum Düsseldorf

Werdegang /Ausbildung:1996: Anerkennung als Facharzt für Urologie

1997: Habilitation für das Fach Urologie

2003 - 2008: Chefarzt der Klinik für Urologie des Klinikums Kassel

2008: Ernennung zum W3- Professor für Urologie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf

Ärzte Zeitung: Herr Professor Albers, Sie sind Spezialist der urologischen Onkologie. Welche Entwicklungen in diesem Bereich aus den vergangenen ein oder zwei Jahren, die jetzt auch Kongressthema sein werden, sind für Sie besonders erwähnenswert?

Professor Peter Albers: Ich glaube, hier darf man das Prostata-Ca etwas herausheben und dabei die gesamte Screening-Problematik. Trotz der Publikationen der beiden größten Studien dazu ist das Thema nicht vom Tisch, sondern im Gegenteil: Die Studien haben Anlass gegeben, darüber nachzudenken, welche Patienten wirklich vom Screening profitieren und welche nicht.

Es ist ein Schwerpunktthema der Plenarsitzung "Prostatakarzinom". Wahrscheinlich wird auch Professor Peter Scardino aus New York darauf eingehen. Er stellt aus dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center die Behandlung von Patienten mit Low-Risk-Karzinomen dar. Die Therapie bei solchen Patienten wird sicherlich im Fokus stehen.

Ärzte Zeitung: Im Zusammenhang mit der Prävention des Prostata karzinoms gibt es in den USA einen Entwurf der U.S. Preventive Services Task Force, in dem ein Screening auf Basis des PSA nicht mehr empfohlen wird. Wie ist Ihre Position dazu?

Albers: Das ist eigentlich das, was wir in Deutschland schon seit Jahren als Politik verfolgt haben. Auch als Urologe kann ich es nicht unterstützen, dass ein generelles Screening beim Prostatakarzinom aufgrund der Daten stattfindet.

Denn wir haben einfach mit den jetzt verfügbaren Methoden eine viel zu hohe Rate an Überdiagnostik und Übertherapie. Ehrlicherweise ist es genau das, was die U.S.-Task Force nun proklamiert hat. Das bedeutet nicht, dass das Screening verboten oder unsinnig ist.

Man muss es einfach intelligenter gestalten. Das Ganze sollte man positiv sehen als Aufruf an die Urologen in Amerika, verstärkt über Risikogruppen und Risikogruppen-Screening nachzudenken. Das ist dort definitiv bislang noch nicht der Fall.

Ärzte Zeitung: Stichwort "Personalisierte Medizin": Wie ist hier der Stand der Dinge in der urologischen Onkologie, etwa beim Prostata-Ca?

Albers: Ich sehe am ehesten Entwicklungen in diese Richtung beim Nierenzellkarzinom und beim Blasenkarzinom. Beim Prostatakarzinom wird es im Moment sehr schwierig sein, weil der Tumor einfach sehr heterogen ist.

Da gibt es eine gewisse Konstellation von Prognoseparametern. Doch der wichtigste Parameter, die TMPRSS2:ERG-Genfusion, hat sich bis jetzt als ein wirkliches Kriterium noch nicht durchsetzen können, um Prostatakarzinom-Patienten mit diesem Parameter anders behandeln zu können als Patienten ohne diese Genfusion.

Beim Nierenzellkarzinom gibt es profunde Entwicklungen sowohl der klinischen Prognosefaktoren als auch einzelner molekularer Marker. Da wird sich in Bälde was tun.

Ärzte Zeitung: Und wo sehen Sie in der urologischen Onkologie derzeit am meisten Forschungsbedarf? Welches Projekt würden Sie sofort starten, wenn Geld kein Thema wäre?

Albers: Ich persönlich würde das Geld am liebsten ins Blasenkarzinom stecken. Ich denke, das Prostata-Ca ist zwar epidemiologisch betrachtet ein großer "Killer", aber er betrifft sehr alte Patienten. Beim Blasenkarzinom stehen wir quasi vor einem Nichts.

Hier wurden in den letzten Jahren überhaupt keine Gelder investiert. 20 bis 30 Prozent der Blasenkarzinom-Patienten haben metastasierte oder fortgeschrittene Tumoren, an denen der Großteil sterben wird. Das sind zum Teil sehr junge Patienten, also etwa 50 Jahre alt.

Es ist ein auch umwelttoxisch gesehen wichtiger Tumor, weil er mit der Raucheranamnese zusammenhängt und in den Industriestaaten wichtig ist.

Ärzte Zeitung: In Jena ist vor Kurzem ein weiteres Prostatazentrum der inzwischen fast 50 Zentren in Deutschland zertifiziert worden. Was können diese Zentren leisten?

Albers: Aus meiner Sicht leisten sie besonders von Sekundär- und Tertiärmotiven freie Beratung zur Therapie des Prostata-Ca. Ein solches Zentrum wird gezwungen, alle Therapiemodalitäten anzubieten. Insofern gibt es eigentlich keinen Grund, etwa die OP einer Strahlentherapie vorzuziehen, weil man eben nur operieren kann und keinen Strahlentherapeuten zur Verfügung hat.

Und das können Sie auf alle anderen Therapie optionen auch übertragen. Das heißt, die objektive Beratung des Patienten über seine Krebserkrankung wird verpflichtend gemacht. Das ist das wesentliche Kennzeichen eines Prostatakarzinom-Zentrums.

Die Fragen stellte Peter Leiner

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